Von , 08.06.2011

Von einem mächtigen Makel schreibt Nico Fried in der Süddeutschen Zeitung und meint damit Angela Merkels Kabinettsbeschluss zum Atomausstieg. Klar kann man so auf ihre Regierungsarbeit schauen. Aber hat man dann die Gunst der Stunde überhaupt erkannt? Das scheinbar planlose Hin und Her, das Nico Fried als Makel ihr anzuheften versucht, speist sich aus weiblicher Urgewalt zu handeln ohne zu Ende zu denken.

Ins kernkraftlose Niemandsland, in das diese Kanzlerin Deutschland als erstes bedeutendes Industrieland der Welt führt, ist vorher noch kein anderes gegangen. Die Zeit dafür ist reif, weil die grüne Volksbewegung sich stark genug zeigt, auch die CDU einzunehmen. Das hat die CDU-Front-Frau - vor Fukushima eine überzeugte Verfechterin der Kernenergie - verstanden und sich von einem Tag auf den anderen um 180 Grad gedreht.

Nein, Frau Merkel hat nicht zu Ende gedacht, weil es nichts zu Ende zu denken gibt. Sie hat mit ihrem CDU/FDP Kabinett am Montag vor allem sich und ihrer Partei die Tür zur Neuzeit aufgeschlossen, ist durchgegangen und zu Barack Obama nach Washington abgeflogen. So nüchtern werden ihr Männer das kaum nachmachen können. Mit weiblicher Radikalität schaltet sie die CDU/CSU + FDP als Dauerbremser einer Energiewende ab. Darin kann und will ich nicht die Spur eines Makels sehen.

Ich erkenne vor allem Frau in der Rolle, in der schon Millionen Frauen vor ihr Millionen Männer auf die Palme gebracht haben mit dem nicht verhandelbaren Ausdruck, das gestern Unmögliches morgen möglich werden muss. Und? - haben wir es nicht immer wieder gerne versucht, für einen Kuss und mehr als einen Kuss? Nicht zuletzt auch für die Erfüllung unserer eigenen Rolle?

Kann gut sein, dass wir 2022 auf diesen 6. Juni 2011 zurück blicken - den Tag, an dem Angela Merkel das Technik-Land Deutschland für eine neue Blüte wach geküsst hat. Auf jeden Fall ist es der Tag, an dem die seit mehreren Jahrzehnten übermächtige - von omnipotenten Männerphantasien befeuerte - Atomlobby den Rückhalt in der Regierung verloren hat. Damit ist die Energiewende nicht vollzogen, sie fängt dieser Tage erst richtig an. Vor uns liegt ein ganzes Universum, das mit guten und besseren Ideen gefüllt werden will. Was in Deutschland gelingt wird in ein paar Jahren auf der ganzen Welt zum Renner werden. Ans Werk, Männer! - Arno Tilsner

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