Von Ruprecht Polenz, 08.02.2023

Debatte (3): „Optimismus hilft uns nicht“ ...

... mit dieser contra-faktischen These hat Jörg Phil Friedrich an dieser Stelle den Aufschlag zu einer Debatte gemacht, an der ich mich gern beteiligen will.

Von dem Optimismus, „irgendwann könnten wir alle Probleme in den Griff bekommen“, weil Demokratie und Marktwirtschaft so viel Wohlstand erzeugt hätten, „dass alle Völker der Welt friedlich-demokratisch-marktwirtschaftlich leben wollen,“ sei nichts geblieben, so Friedrich. Das sei es, was er eine „postoptimistische Gesellschaft“ nenne.

Aber wer hat je geglaubt, wir könnten irgendwann alle Probleme in den Griff bekommen? Indem ich die Optimismus-Latte so hoch lege, bekomme ich natürlich das Ergebnis, dass sie nur gerissen werden kann.

Doch es geht nicht ums irdische Paradies, das man erwarten müsste, um sich als Optimisten bezeichnen zu dürfen. Es reicht die Zuversicht, dass einem eher gute Dinge widerfahren, dass es so schlimm nicht kommen wird, dass man es schaffen kann.

Pessimisten sind dagegen überzeugt, in der Zukunft eher Schlechtes zu erleben. Alles gehe - vor allem verglichen mit früher - den Bach runter. Scheitern sei wahrscheinlich.

Das bekannte Beispiel vom unterschiedlichen Blick auf das bis zur Mitte gefüllte Wasserglas zeigt, dass diese Einstellungen auch den Alltag prägen. Optimismus oder Pessimismus sind relativ stabile Konstrukte, die Gedanken und Gefühle miteinschliessen und so unser Erleben und Handeln beeinflussen.

Gut erforscht sind die Wirkungen positiven, optimistischen Denkens. Das Denken beeinflusst Prozesse im Körper. Wir gehen besser mit Stress und Belastungen um. Kranken hilft der Glaube daran, auch tatsächlich wieder gesund zu werden. Man hat noch von keinem Pessimisten gehört, der Berge versetzt hätte.

Allerdings: Optimismus ohne Realismus ist keiner, sondern Wunschdenken und Illusion. Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Immer wieder gescheitertes Wunschdenken endet wahrscheinlich in Pessimismus.

Gerade für Demokratien ist eine optimistische Grundeinstellung der Gesellschaft wichtig, denn Demokratie setzt auf Teilhabe, Eigeninitiative und Mittun. „Wir schaffen das“ ist die Haltung, mit der man hoch gesteckte Ziele leichter erreicht und besser durch Krisen kommt.

Erfolgreiche Politiker:innen zeichnen sich dadurch aus, dass es ihnen gelingt, den Menschen diese „Wir-schaffen-das-Zuversicht“ zu vermitteln. Denn ohne deren Zutun lassen sich die Probleme nicht bewältigen.

Eine „postoptimistische Gesellschaft“ wäre über kurz oder lang wohl keine Demokratie mehr. Es ist kein Zufall, dass Untergangs-Szenarien zum Standardrepertoire aller faschistischen Bewegungen gehören.

Nein, Deutschland schafft sich nicht ab. Wenn wir uns anstrengen, können wir erreichen, was immer eine wesentliche Triebfeder für menschlichen Fortschritt war: Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir.

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