Von Stefan Bergmann, 15.02.2023

Der Münstersche Realitätsverlust

Das gab es in Münster noch nie: Da wagt es ein Bauherr, der Stadt Münster öffentlich Contra zu geben. Die CM Immobilien Entwcklung Gmbh, wohl einer der wichtigsten Bauträger in und für Münster. hat den Bau von 300 Wohnungen am Dahlweg auf Eis gelegt, weil die Stadt mit immer mehr und angeblich überzogenen Forderungen an CM herangetreten war. Anfangs war es nur der Zwang, eine alte Halle (auf eigene Kosten natürlich) zum Quartiersmittelpunkt zu entwickeln. Dann musste ein Kindergarten gebaut werden und dieser top ausgestattet werden. Und zum Schluss - und da platzte Geschäftsführer Michal Lüke der Kragen - wollte die Stadt auch noch mitbestimmen, wo die preiswerten und öffentlich geförderten Sozialwohnungen liegen sollen.

Einerseits ist die Vorgehensweise der Stadt wohl verständlich. Ein privater Investor will Geld verdienen mit dem Wohnungsbau, und das auch noch in 1A-Wohnlage. Dafür muss er von seinem Gewinn etwas Geld für Gemeinschaftseinrichtungen abknapsen Doch dem Investor wurde der Forderungskatalog zu lang. Angesichts explodierender Baukosten rechne sich das Vorhaben nun nicht mehr.

Und dann tat er, was sich in Münster niemand traut: Öffentlich die Stadt dafür zu kritisieren Denn viel zu groß ist meist die Angst, dass das ungehörige Verhalten Konsequenzen haben wird - und man bei künftigen Projekten nicht mehr zum Zuge kommen. Ob das stimmt, kann niemand mit Gewissheit sagen. Aber die Furcht hat jeder: Architekten, Bauträger, Investoren. Es sagt nur niemand öffentlich. Die nadann sprach jetzt mit Michel Lüke, Geschäftsführer von CM:

Viele Bauherren und Architekten trauen sich nicht, die Stadt Münster öffentlich zu kritisieren – aus Angst vor negativen Auswirkungen beim nächsten Projekt. Können Sie diese Angst nachvollziehen?

Michael Lüke: Wir haben keine Angst, sondern kümmern uns um vernünftige Zusammenarbeit.

Vor wem muss man sich als Bauherr mehr fürchten: Vor der Verwaltung oder der Politik oder dem Gestaltungsbeirat?

Michael Lüke: Fürchten muss man einen Realitätsverlust. Die Politik hat auf unseren angekündigten Planungsstopp für 300 Wohnungen am Dahlweg rasch reagiert. CDU, Grüne und FDP waren sofort am Telefon. Wir treffen uns in den nächsten Tagen mit jeder dieser Ratsfraktionen.

Jede Kommune setzt die Rahmenbedingungen für Baugebiete fest, das ist auch ihr gutes Recht. Was ist in Münster anders als in anderen Städten (in denen Sie ja vermutlich auch bauen)?

Michael Lüke: Hier gibt es Zielkonflikte zwischen Wunsch und Wirklichkeit, die sich angesichts wirtschaftlicher Lage, Fachkräftemangels, massiver Baukostensteigerungen und vervierfachter Zinslasten nicht mehr überbrücken lassen. Eine Kommune hat nur eine echte Stellschraube, um den Wohnungsbau voranzubringen. Sie muss Baurecht schaffen, also Baugebiete ausweisen. Staat und Kommunen sollten Bauwillige ermuntern anstatt sie mit überkandidelten Vorschriften und immer mehr Bürokratie zu verschrecken. Alles andere treibt die Kosten und die Mieten und verschärft die Wohnungsprobleme, die Münster ohnehin schon hat.

In einer Antwort an Sie reagierte die Stadt erstaunlich harsch: Es sei für einen Bauherrn „nicht zielführend“, Anforderungen an ein städtisches Projekt zu kritisieren. Der Fokus dürfe nicht auf „kostengünstigste Bauweise“ liegen und auch nicht darauf, die „Wirtschaftlichkeit ... relativ kurzfristig realisieren“ zu können. Das ist eine offene Drohung. Besser den Mund halten und spuren, oder das war es mit künftigen Projekten. Klingt ein bisschen nach China, oder?

Michael Lüke: Das sind öffentliche Redeweisen. Uns hat die Stadtverwaltung freundlich geschrieben, allerdings erst nach zwei Monaten und als die Medien Wind bekommen hatten. Wenn selbst die stadteigene Wohnbaugesellschaft inzwischen ganz normale Wohnungen zum Verkaufspreis von knapp 7000 Euro pro Quadratmeter anbietet, dann lässt sich nicht übersehen, was die Stunde geschlagen hat. Solche Preise können viele nicht bezahlen.

Kann es sein, dass es der Stadt Münster einfach zu gut geht und die Investoren Schlange stehen? Wenn Sie es nicht machen, macht es halt jemand anderes?

Michael Lüke: Schlange stehen Investoren sicher nicht. Münster muss sein Wirklichkeitsbewusstsein schärfen. Die Probleme im Wohnungsbau treffen inzwischen die gut und sicher verdienende Mittelschicht, die in Münster den Ton angibt.

Sie haben auch den Erpho-Bogen gebaut. Ein Vorzeige-Quartier, entstanden an einem schwierigen Standort. Wie war da die Zusammenarbeit mit den Behörden und der Politik?

Michael Lüke: Tadellos, auch bei 200 Wohnungen im Zentrum Nord, im Gremmendorfer York-Quartier und bei anderen Projekten. Nur sind die Verhältnisse inzwischen andere. In Deutschland werden derzeit massenhaft Wohnungsbauprojekte abgesagt. Das trifft eine Stadt wie Münster mit hoher Wohnungsnachfrage.

Einer muss ja immer den ersten Schritt machen: Haben Sie ein Friedensangebot an die Stadt?

Michael Lüke: Die Stadtverwaltung sucht das Gespräch mit uns, und die Politik schläft auch nicht.

Michael Lüke

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