Von , 22.06.2011

Wenn man im Leben nur noch die Wahl zwischen einem Ende mit Schrecken oder einem Schrecken ohne Ende hat, befindet man sich in einer unkomfortablen Situation. Genau da stehen wir, vertreten durch 620 Bundestagsabgeordnete.

Vor der Hand geht es um die Zahlungsfähigkeit Griechenlands. Mit einem weiteren Milliardenkredit der Euro-Staatengemeinschaft soll sie gesichert werden. Es wird davon gesprochen, dass den armen Griechen geholfen werden muss. Tatsächlich wird mit den zur Entscheidung stehenden nächsten 100 Milliarden nicht den armen Griechen sondern den reichen Banken und Versicherungen Europas geholfen, ihren unverantwortlich maßlosen Vorständen und Shareholdern.

Es geht bei den politischen Entscheidungen der kommenden Wochen um eine systemische Grundsatzfrage: wollen wir Marktwirtschaft oder Sozialismus? Wenn wir uns für die Weiterführung der Marktwirtschaft entscheiden, müssen wir den Markt auch seine Kraft entfalten lassen. Dazu gehören gute Gewinne aus guten Geschäften einerseits. Auf der anderen Seite steht das Risiko, dass Kaufleute mit ihren schlechten Geschäften scheitern.
Im Fall Griechenland sind es Kreditinstitute und Versicherungen, die dem Land Geld geliehen haben, obwohl seine Fähigkeit zur Zins- und Rückzahlung nicht gesichert war. In der einfachen Logik der Marktwirtschaft fällt bei einer Insolvenz des Schuldners das Risiko des Geschäftes auf den Kreditgeber zurück. Er muss auf seine Forderungen ganz oder teilweise verzichten.

Der Systemwechsel zum Sozialismus ist vollzogen, wenn für schlechte private Kreditgeschäfte eines ausufernden Finanzsektors der Staat oder die Staatengemeinschaft einspringt. Eine funktionierende Marktwirtschaft schafft nicht nur unglaubliche Möglichkeiten, sie begrenzt mit dem Risiko des Scheiterns auch die unendliche menschliche Gier.
Wenn die Politik ein Scheitern der Finanzwirtschaft im Fall Griechenland nicht zulässt, wird morgen Portugal fallen, danach Spanien, Italien und so weiter. Ist der Bankrott von Staaten ein gutes Geschäft, werden sich Menschen finden, die dieses unverantwortliche Geschäft auch betreiben.

Erst wenn Griechenland nach der Erklärung seiner Insolvenz von einem wesentlichen Teil der Schulden befreit wird, haben die Griechen die Möglichkeit, ihr Gemeinwesen aus eigenen Kräften neu zu organisieren.
Ohne Zweifel würde die erste Staatspleite im Euro-Raum einen gewaltigen Schock in das Weltfinanzsystem senden. Heilsam wird er, wenn in Folge dessen das unerschütterliche Festhalten an marktwirtschaftlichen Prinzipien jeder Aussicht auf un-verschämte Gewinne mit der Angst vor der 1. Staatspleite den Nährboden entzieht. Ein Ende mit Schrecken wird sehr teuer, der Schrecken ohne Ende unbezahlbar. - Arno Tilsner

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