Von Stefan Bergmann, 17.04.2024

Deutschland vergeigt gerade ...

... die Transformation hin zum E-Auto. Deutschland hat schon die erste und jetzt bald auch die zweite Photovoltaik-Welle vergeigt, fast auch die Windenergie (wenn nicht die neue Regierung die Altmaier’schen Windenergie-Verhinderungs-Gesetze gestoppt hätte).

Und jetzt eben die E-Autos. Einen großen Anteil an dem Desaster hat die Bundesregierung. Über Nacht strich sie die Kaufprämien für E-Autos. Wer eines dieser teuren Dinger gekauft hatte und sich auf die Prämie verlassen hatte, schaute in die Röhre. Die Hersteller haben auch einen Anteil. Anstatt ein erschwingliches E-Auto für die Masse herzustellen, bauen sie seit Jahren fast nur Oberklasse. Sei es Mercedes mit seinen Autos im sechsstelligen Preisbereich, oder auch Volkswagen mit seiner ID-Serie: Wenig Auto, wenig Reichweite, viel Plastik, großmütterliches Design - aber das für viel Geld. Unter 40.000 Euro geht da nichts.

Aber auch die Stadt Münster hilft mit, dass es so schnell nichts wird mit der E-Auto-Bazooka. 114 Ladesäulen gebe es im Stadtgebiet, sagte die Stadt jetzt den Westfälischen Nachrichten. Und das für 9750 Elektro-Fahrzeuge, die laut Kraftfahrtbundesamt derzeit in Münster angemeldet sind. Damit kabbeln sich allabendlich 85 Fahrzeuge um eine Säule. Kann das sein? Nein.

Da glauben wir doch eher dem Spiegel, allerdings ist seine Statistik von 2023. Ihm zufolge gibt es 310 Ladesäulen (da wurden wohl die nicht-städtischen mitgezählt). Gemeldet waren seinerzeit 4304 E-Autos. Ergo: 13,5 Auto auf eine Säule.

Egal, welche Zahlen nun stimmen und welche Zählweise man nimmt: Es sind zu wenig. Wie soll man sein Auto laden, wenn man im Kreuzviertel wohnt oder in Kinderhaus, wo es weder Garagen noch Parkplätze und schon gar keine Ladesäulen am Straßenrand gibt? Warum versagt die Stadt Münster in diesem so wichtigen Zukunftsfeld? Selbst Dortmund, von Münster immer etwas abfällig betrachtet weil Ruhrpott, macht es besser: Dort gibt es 7,4 E-Auto pro Ladesäule.

Während skandinavische Länder - nicht nur im Bereich E-Mobilität - zeigen, wie man mutig vorangeht und selbst unser kleiner Nachbar Niederlande Vorreiter ist, tut man sich in Deutschland immer noch schwer. Ja, ob die E-Mobilität wirklich die Technologie für die ganz weite Zukunft sein wird, ist nicht klar. Viele Fachleute sagen, sie sei eine Brückentechnologie und irgendwann fahren wir alle mit kleinen, leichten (und noch nicht vorhandenen) Wasserstoff-Antrieben durch die Gegend. Es kann auch sein, dass viele Deutsche das Brummen aus dem fetten Auspuff zum Beweis Ihrer Männlichkeit benötigen (was sagen eigentlich die Frauen dazu?). Aber rational ist das alles nicht. Übrigens genauso wenig rational, wie die Ablehnung eines Tempolimits auf Autobahnen durch den Bundesverkehrsminister.

Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht. Wenigstens, wenn es um das liebste Kind, das Auto, geht. -Stefan Bergmann

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