Von , 26.10.2011

Es gehört zum Standardrepertoire städtebaulicher Vermarktung hochpreisiger Flächen, mögliche Kritiker mit der Neid-Peitsche zu geißeln. Deshalb schreibe ich die folgenden zwei Sätze als Prolog: 1. Ich liebe arbeiten + wohnen am Wasser. 2. Wenn ich bei der Arbeit an diesem Presseausweises auf's Wasser schaue, dann weder auf einen Löschteich noch auf ein Stück Dortmund-Ems-Kanal. Ende des Prologs.

Mit Leidenschaft sind in den letzten Jahren in Münster die Quadratmeterpreise im ehemaligen Stadt-Hafen-Bereich hochgequasselt worden, als ginge es bei diesem in die Jahre gekommenen Gewerbegebiet um einen zum Welt-Kultur-Erbe aufgestiegenen Teil eines bedeutenden See-Hafens. Jetzt also das Projekt "Wohnen am Wasser"! Münster muss ein Magnet sein: Zahlungskräftige aller Länder vereinigt Euch! In der lebenswertesten Stadt der Welt! Am Hafen! Zukünftig gibt es statt Coconut Beach einen Yachthafen! Ihr könnt also mit Euren Schiffen anreisen! Heiliger Strohsack!!!

Münster lebt traditionell nicht von einigen Zahlungskräftigen, die bei der Wahl ihrer Wohnung die Nähe zu Löschteichen suchen. Münster lebt seit Jahrzehnten vor allem von vielen tausend Studierenden, die in Fahrradentfernung zu ihrer Ausbildungsstätte ein Zimmer finden. Junge Menschen, die ihre Zukunft nicht hinter sich haben, sondern vor sich. Das ist ein Unterschied. Den könnte sich eine zukunftsorientierte Stadtplanung zunutze machen. Statt die in den nächsten Jahren Hereinströmenden durch Zimmerknappheit aus Münster fern zu halten, würde man sie besser mit großem Improvisationsgeschick in das städtische Wohnleben integrieren. Wie, darüber hätte man sich längst Gedanken gemacht haben müssen. Der größte Zuzugs-Schub kommt - nach jahrelanger Ankündigung (!) - im nächsten Jahr.

Münsters Stadtplanung hat auf anderen Baustellen zu tun. Konsequent und beharrlich beschäftigt man sich mit den Investitionsinteressen der eigenen Parteifreunde. Statt Wohnraum für Studierende wird mit dem Hafen-Center das nächste überflüssige Einkaufszentrum geplant und gebaut. Da zur Versorgung im Nahbereich kein Einkaufszentrum fehlt, kann es nur darum gehen, mit dem neuen Komplex Verkehr aus anderen Stadtteilen und/oder aus dem Umland anzuziehen.

Fahren-kaufen-fahren ist das Fundament, auf dem jedes neue Einkaufszentrum in Münster gründet. Welches Interesse sollte eine städtische Wohnbevölkerung an dieser stadtplanerischen Monokultur haben? Kein Interesse. Das haben Menschen aus der Wohnbevölkerung den Stadtplanern und Investoren auf dem Hafenforum in zahlreichen Wortbeiträgen auch mitgeteilt.

Es wäre politisch naiv zu glauben, dass ein Diskussionsforum die stadtplanerische Denkrichtung bei der kleinen Gruppe von Entscheidern ändern würde. Bereits beim Kauf der Grundstücke durch die heutigen Besitzer war klar, wohin die Reise bei der Bebauung gehen wird.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang den Vorschlag der Grünen, einen städtebaulichen Ideenwettbewerb für das Gebiet durchzuführen. Wenn danach tatsächlich Parkplätze an Löschteichen mit Einkaufszentrum gebaut werden, hat man wenigstens einige andere Modelle gesehen, wie man stattdessen hätte bauen können. Und womöglich ist ein so überzeugender Vorschlag dabei, dass sich Stadtplanern und Investoren ein Horizont eröffnet, in dem das ganzheitliche Leben der heutigen Stadtbewohner/Innen im Mittelpunkt steht, nicht eine nach Münster rein und raus oder in Münster hin und her pendelnde Kaufkraft. - Arno Tilsner

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