Von , 30.05.2012

Roadmap to exit nennt man hinter verschlossenen Türen den Fahrplan zur Durchführung einer Währungsreform in Griechenland. Deren Unwesen besteht darin, dass sie an einem Samstag aus heiterem Himmel beschlossen wird, am Sonntag in Kraft tritt und am Montag bereits vollzogen ist. Damit wird die von einer Währungsreform betroffene Bevölkerung gehindert, ihre Sparguthaben abzuheben und so vor einer Abwertung zu bewahren. Vom Moment der Bekanntgabe einer Währungsreform an sind Bankguthaben arretiert. Wenn die Guthaben der KundInnen später aus den Geld-Knästen - in die sich Banken für die Durchführung der Reform verwandeln - entlassen werden, sind sie gemäß der regierungsamtlichen Beschlusslage weniger wert.
Scheinbar gibt es keinen Grund, für Deutschland einen Schulden- und Währungsschnitt in überschaubarer Zukunft in Betracht zu ziehen. Wie weit dieser Eindruck trügt weiß niemand wirklich. Das Risiko steckt in den Bürgschaften, die bereits übernommen worden sind und die - der Logik jeder Überschuldung folgend - ständig ausgeweitet werden.

Wenn Deutschland am Ende als letzter Universalbürge in Anspruch genommen werden sollte, kann ich mir lebhaft Angela Merkel vorstellen, wie sie in der ihr eigenen Art mit diesem unbeteiligten Funktionärs Singsang in der Stimme die Notwendigkeit einschneidender Maßnahmen mit der Notwendigkeit einschneidender Maßnahmen begründet. Ihr nicht mal 2-minütiges Statement könnte sie mit dem Aufruf beenden, dass es nun Zeit sei, den Blick nach vorne zu richten, schließlich hätten alle die historisch einmalige Chance, ihre durch Abwertung verlorenen Ersparnisse jetzt neu zu verdienen. Ende des Auftritts im blutroten Blazer.

Seit Gorbatschows denkwürdiger DDR-Visite im Oktober 1989 wissen wir, dass die Zu-spät-Kommenden vom Leben bestraft werden (können). Deshalb haben wir schon vor Monaten damit begonnen, langlaufende Kredite außerplanmäßig vorzeitig zurück zu zahlen. Denn das ist ein mögliches weiteres Unwesen einer Währungsreform: Schulden können in einem anderen Verhältnis umgetauscht werden als Guthaben.

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: ein Grieche hat vor der Währungsreform zwei Konten, eins mit 1.000 EUR Guthaben und eins mit 1.000 EUR Schulden. Wenn er am Freitag vor der Währungsreform zur Bank geht, sein Guthaben abhebt und damit die Schulden bezahlt, bleibt er diesbezüglich von der Umstellung Sonntag auf Montag verschont. Verpennt er den Freitag und wird von der Währungsreform mit seinen zwei nicht saldierten Konten überrascht, kann es ihm passieren, dass sein Guthaben auf 500 Drachmen abgewertet ist, während die Schulden bei 1.000 Drachmen verbleiben. Der Zu-spät-Kommende startet also in die neue Zeit mit 500 Drachmen Schulden.

Man sieht an dem Beispiel sehr schön, wie bei einer Währungsreform den Sparern in einer Gesellschaft das Fell über die Ohren gezogen wird. Sie sind es vor allen Anderen, die am Ende für Rettungsschirme haften, die nicht groß genug sein können, um alle südlichen Euroländer vor dem Absturz zu bewahren. Die letzte Währungsreform, die 10 Jahre vor ihrer Durchführung sich in Groß-Deutschland kaum jemand vorstellen konnte, trat übrigens am 20. Juni 1948 in Kraft, an einem Sonntag vor 64 Jahren. - Arno Tilsner (61)

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