Von , 20.06.2012

Dieser Tage schickte mir das Copy Center Coerdestrasse ein vergilbtes Foto aus den frühen 80er'n. Bei der Zusammenstellung einer FB-Chronik ist dort das Bild einer Druckmaschine aufgetaucht, an die ich mich lebhaft erinnere.

Rotaprint 50/70 Perfektor

Denn genau über dieses Produktionsmittel hatte ich Mitte der 70er beim Schreiben meiner Diplomarbeit an einem Mittagstisch der PH-Mensa mit einem meiner akademischen Lehrer diskutiert. In der Abschlussarbeit formulierte ich damals eine interessante Theorie und äußerte die Absicht, sie im Praxistest auch noch zu beweisen.


Die Rotaprint 50/70 Perfektor im Bild erschien mir dafür als das geeignete Arbeitsmittel. "Die wirst Du Dir nicht leisten können", meinte der Professor. Wie man im Bild sieht, leistete ich sie mir wenige Jahre später doch.

Besser gesagt: nicht ich leistete sie mir, sondern ich nutzte meine Fähigkeit, wie ein Politiker mit Engelszungen zu reden, um einige Mitstudierende in die Idee zu verwickeln, eine Firma zu gründen, um die Theorie in der Wirklichkeit zu verproben. Was wir dafür an modernen Arbeitsmitteln brauchten, kauften wir nach und nach auf Kredit, zum Beispiel die Maschine im Bild für knapp unter 100.000 DM.

Die Sache hätte eine Erfolgsstory werden können, wenn die in der ausgezeichnet benoteten Diplomarbeit formulierte Theorie gestimmt hätte. Tatsächlich war sie nicht falsch. Sie war in Wirklichkeit nur nicht vollständig. Ungefähr 10 Jahre hatte es gedauert, die Theorie zu bilden und ihr folgend den Karren in den Sumpf einer gediegenen Überschuldung zu fahren. Danach dauerte es 10 Jahre, um die Idee lebenstüchtig zu ergänzen und den Karren aus dem Sumpf zu ziehen. Mit viel Glück bekam ich eine weitere Dekade, um die Schulden zurück und mich für die in dieses Experiment investierte Lebenszeit zu bezahlen.

Warum erzähle ich diese Geschichte? Ich las in der letzten Woche einige Redeausschnitte aus der feierlichen Bundestagssitzung vom 23. April 1998, in der 632 von 672 Abgeordneten für die Einführung des EURO stimmten. Darauf eingestimmt hatte sie Helmut Kohl u.a. mit diesen Worten: "Ich bin überzeugt, dass die Erfolgsgeschichte der D-Mark in unserem Land mit einer Erfolgsgeschichte des Euro weitergeht. Die Vorzüge, die wir mit der D-Mark erarbeitet haben und an der D-Mark – zu Recht – schätzen, gehen nicht verloren. Sie werden in ein größeres Ganzes zum Vorteil Deutschlands und zum Vorteil Europas eingebracht."

Zur Zeit legt der vor 14 Jahren mit Engelszungen beschworene EURO den Kontinent von Süden her in Trümmer. Um die Zerstörung durch Überschuldung zu stoppen, muss die in der Praxis widerlegte Theorie der segensreichen Wirkung einer Gemeinschaftswährung den Bedingungen der sehr unterschiedlichen Wirtschafträume in Europa angepasst werden. Danach gibt es für uns alle einen Haufen Arbeit, um die Schulden der Euro-Party zu bezahlen. - Arno Tilsner

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