Von , 04.07.2012

Reisen bildet. In diesem Sinne suchte ich in einer Europäischen Grossstadt den Busbahnhof, der nach meiner Erinnerung - wie mit gesundem Menschenverstand nicht anders zu erwarten - auf einem Platz fussläufig zum Bahnhof gelegen war. Den Platz mitsamt seiner Infrastruktur gibt es noch, darauf warten aber keine Busse. Die stehen mit laufenden Motoren jetzt im 2. Untergeschoss, eine Etage unter der in den Keller gelegten Eisenbahn. Von Fahrgästen sind die schlecht belüfteten unterirdischen Bussteige umständlich über eine Kaskade von Rolltreppen zu erreichen. Aus der Tiefstgarage raus und in sie rein fahren die Busse just an der Stelle, wo sie ohne einen Pfennig zusätzlicher Investition noch jahrelang auf den bekannten Platz hätten einbiegen können.

Heiliger Strohsack, eine dieser vielen nicht bezahlten Infrastruktur-Investitionen, derentwegen SteuerzahlerInnen für riesige Rettungsschirme in Haftung genommen werden.

Warum erzähle ich die Geschichte? Weil ich am Montag in der online-WN ein Interview mit Dr. Hugo Fiege las, der einen neuen Schlossplatz bis zum Jahr 2017 als Ziel der Kaufmannschaft Münster in den öffentlichen Raum stellt. Die Umbenennung Hindenburg- zu Schlossplatz ist nur die Ouvertüre; Ziel ist, in den kommenden fünf Jahren dem neuen Namen auch einen neuen Platz zu bauen.

Eine weitere gewaltige Infrastruktur-Investition in einer Stadt mit jetzt schon leeren Taschen. Es macht die Sache nicht besser, wenn die zu verbauenden Millionen aus anderen leeren öffentlichen Kassen kommen sollen.

Wir leben aktuell mitten in einer gruselige Schulden-Wirtschaft, die sich nicht mehr selbst stoppen kann weil sie sich nicht stoppen will. Die Ironie in der Geschichte: als Hindenburg Hitler ermächtigte waren dieser Entscheidung die goldenen 20er Jahre vorausgegangen, ein weltweiter Schulden-Exzess, der sich in der Weltwirtschaftskrise 1929 entlud und in Europa zu Massenarbeitslosigkeit mit politischer Radikalisierung führte.

Aus dem Blickwinkel der Geschichte gäbe es heute gute Gründe mit einem überdimensionalen Scheinwerfer auf Hindenburg und die Umstände seiner fatal-folgenreichen Entscheidung zu leuchten.
Bis zum BürgerInnen-Entscheid am 16. September ist Zeit für eine lebhafte Diskussion unter besonderer Berücksichtigung der katastrophalen Folgen von Maßlosigkeit.

Mögliches Fazit: die Namensgebung eines Platzes muss keine Ehrung, sie kann auch Mahnung sein, sogar beides, in sich widersprüchlich, wie das Leben selbst. - Arno Tilsner

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