Von , 03.10.2012

Vorwort: der Presseausweis der letzten Woche über das Pech der Handorfer Erdkröten hat mir zwei 100% gegensätzliche Reaktionen zu Ohren gebracht: am Donnerstag rief ein Mann an, um mich wissen zu lassen, dass ein Investor mit seinem Investment grundsätzlich machen kann, was er will. Die Erdkröten hätten seine Entscheidung zur Trockenlegung ihres Leichgewässers hinzunehmen.Am Freitag rief mich eine Frau an, der ich aus der Seele geschrieben habe. Sie fand es wichtig, mir das persönlich zu sagen und mich zu ermuntern, unbedingt weiter zu machen.

Also schreibe ich dem Anrufer auf den Merkzettel: 1. Erdkröten quaken nicht. 2. Bufo bufo ist eine geschützte Art. Der Schutz gilt auch ihrem Lebensraum, sonst ist es nämlich kein Schutz. Deshalb 3. die offene Frage an das Umweltamt der Stadt: was wird das Amt bis zum nächsten Frühjahr zur Wiederherstellung der Feuchtwiese am Werseufer tun? Ende des Prologs, neues Thema. ---

Man muss Peer Steinbrück nicht mögen, um ihn 2013 zum Bundeskanzler zu wählen. Es genügt, wenn man sich selbst der Nächste ist. Peer Steinbrück ist der Letzte, dem es darauf ankommt, Jedermanns Liebling zu sein. Das qualifiziert ihn für den Job. Der Sozialdemokrat - mit einer norddeutschen Distanz zu seiner Partei und einer mindestens intellektuellen Nähe zu Helmut Schmidt - hat einen Aktionsplan vorgelegt, wie das marktwirtschaftliche Grundgesetz, nach dem Risiko und Haftung zusammen gehören, im Bankensektor wieder zur Geltung gebracht werden kann.

1. Sollen Banken gezwungen werden, aus Ihren Gewinnen einen eigenen Rettungsschirm in der Größenordnung von 200 Milliarden EUR aufzubauen.
2. Muss das Investmentbanking vom Kredit- und Einlagengeschäft getrennt werden, damit eine Bank, die sich verzockt hat, ohne Risiko für die Allgemeinheit in die Pleite verabschiedet werden kann. Marktwirtschaft funktioniert nämlich deshalb, weil sie nicht nur ein Belohnungs- sondern auch ein Bestrafungssytem kennt. Die Internationale Finanzindustrie hat das Kunststück fertig gebracht, für sich die marktwirtschaftliche Bestrafung außer Kraft zu setzen. Seit dem basteln Staaten einen Rettungsschirm nach dem anderen. Parlamente erscheinen machtlos. In jeder neuen Runde gibt es angeblich keine Alternative.

Peer Steinbrück und Helmut Schmidt meinen, dass es Alternativen gibt und es Zeit wird, sie politisch in die Tat umzusetzen. Ihre Initiative sollten wir in ureigenstem Interesse zu einer Bewegung verdichten. -Arno Tilsner

Nachwort: den Text schrieb ich, bevor die SPD ihren Kanzler-Kandidaten am Freitag benannte. In einer spontanen Umfrage am selben Tag auf Spiegel online erhielt Peer Steinbrück ein überwältigend positives Abstimmungsergebnis. Die Umfrage wurde kurz nach ihrer Veröffentlichung durch eine für Angela Merkel weniger brisante Fragestellung ersetzt.
Im Unterschied zur scheinbar unkritischen Begeisterung des Publikums schreibt der Journalist Jakob Augstein am Montag im selben Medium eine Kolumne mit dem Titel "Der Beamte als Revolutionär". Was für ein alter Mann in einem eingefahrenen Betrieb Berliner Öffentlichkeitsarbeit ist dieser 45 Jährige, dass er einen starken Impuls des Wandels nicht - wie sein Publikum - spüren kann.

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