Von , 12.12.2012

Brachte ein Machtwort aus Düsseldorf am Montag für die Beschäftigten der Provinzial die Wende? Schön wäre es gewesen.
Den Etappensieg haben die Provinzialer/innen in erster Linie sich selbst zu verdanken: ihrer Verankerung und Beliebtheit in der Bevölkerung und ihrer Vitalität in ihrem Unternehmen. Innerhalb einer Woche haben sie ihren Protest zu einer derartigen Welle auflaufen lassen, dass die Strippenzieher es vorzogen, die geplante Dramaturgie zu ändern. Die sah vor, die Übernahme der Provinzial Münster/Kiel durch die Allianz am Freitag, den 30. November, bekannt werden und von den Entscheidungsgremien der öffentlichen Eigentümer in dieser Woche durchziehen zu lassen. Genau passend zum Ferienbeginn Weihnachten 2012 sollte die Privatisierung der Provinzial besiegelt werden.
Man muss sehr naiv sein, um zu glauben, dass ein Geschäft dieser Größenordnung und Tragweite ohne vorherige Kenntnis und ohne Einverständnis der Landesregierung möglich ist. Tatsächlich sind Verkäufer und Käufer davon überrascht worden, dass hinter den Zahlen, die sie von einer Bilanz in eine andere schieben wollten, lebendige Menschen stehen, die sich nicht wie willenlose Arbeitssklaven auf Kommando von P nach A schieben lassen.
Die alten Männer in der undurchschaubaren Grauzone von Wirtschaft und Politik hatten diesen Punkt sehr wohl auf ihrer Agenda, weshalb sie ausgerechnet die 4 Adventswochen für die Bekanntgabe und Durchführung ihres Planes wählten.
Sie wurden überrascht, weil sie selbst in ihren Vorstandsposten und Ämtern sich nicht auf der Höhe heutiger Kommunikationstechnik bewegen: in Windeseile vernetzten sich auf facebook erst Hunderte, dann Tausende, am Wochenende über Zehntausend, die plötzlich über jeden Schritt in der Sache just-in-time auf dem laufenden waren und einen Schutzschirm größtmöglicher Öffentlichkeit aufspannten. Mehr als 60.000 Unterschriften wurden in wenigen Tagen für den Erhalt der Provinzial Münster/Kiel gesammelt. Die "Arbeitssklaven" vernetzten sich mit ihren Kund/innen zu einer sehr effizienten Organisation.
Aber Vorsicht: die andere Seite kann es auch. Frau Kraft hat nicht gesagt, dass die öffentliche Hand ihre Versicherer behalten will. Sie sagte, dass die zwei öffentlichen Versicherer im Land (Provinzial Münster/Kiel und Düsseldorf) zunächst fusionieren sollen.
Damit werden sie für eine Übernahme durch die Allianz noch interessanter. Die hat im übrigen schon vorgesorgt. Spätestens zum 1. April 2013 wechselt Walter Tesarczyk als Vorstandschef zur Provinzial/Düsseldorf. Er ist seit 12 Jahren als Vorstand der Allianz für das Privatkundengeschäft zuständig und nach 30 Jahren bei den Münchnern zutiefst im Netzwerk des Käufers verwurzelt.
Jede gewonnene Etappe ist eine gute Etappe. Zum Erhalt dieser sehr qualifizierten Dienstleistungs-Arbeitsplätze in Münster und Westfalen müssen weitere Etappen gewonnen werden. - Arno Tilsner

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