Von , 06.11.2013

Arno Tilsner

Arno Tilsner

'Klare Mehrheiten im Stadtrat führen zu bezahlbarem Wohnraum.' Überprüfen kann man die These von Herrn Polenz nicht, weil ein mögliches Ergebnis der Kommunalwahl 2014 unüberschaubar weit in der Zukunft liegt. Ich kann allerdings 40 Jahre in die Vergangenheit zurück blicken, in eine Zeit, als Ruprecht Polenz seinen Weg zum Berufspolitiker begann und ich - mit knapper Not - den des Berufsrevolutionärs verfehlte. Gegenstand unserer gänzlich unterschiedlichen Sicht auf Welt war unter anderem die Wohnsituation in Münster. Wer wollte konnte Anfang der 70er Jahre zuschauen, wie Bagger im Wochentakt im Auftrag von Spekulanten bezahlbaren Wohnraum in bester Stadtlage platt machten. Ich war empört. Das Thema radikalisierte mich. Und so möchte ich Herrn Polenz noch heute über die Werse rüber in seine hübsche, warme Stube rufen: "Auch Menschen mit geringem Einkommen müssen in Münsters Innenstadt wohnen dürfen!" Oder dürfen sie schon nicht mehr?


Für einen Millionär ist es im Bezug auf seine Wohnsituation total egal ob er durch Abriss und Neubau zu seiner 7 noch die 8 Million dazu legt. Für Normalverdiener/innen - womöglich in Familien oder gar allein erziehend - ist es nicht egal, ob sie 30, 40 oder 50 Prozent ihres Einkommens für ihren Wohnraum aufwenden müssen. Es ist für eine zivilisierte, europäische Gesellschaft erbärmlich, dass Wohnraum Gegenstand spekulativer Geldvermehrung wurde, ist und bleiben wird.

Weder meine Empörung noch schöne Politiker/innen-Worte alle Färbungen und Schattierungen haben am Trend zum teuren Wohnraum in den letzten 40 Jahren etwas geändert. Ich wage die Prognose, dass er sich in Münster auch in den kommenden 40 Jahren nicht von selbst und nicht auf Drängen der CDU umkehren wird. Ich rate daher den Studierenden, die ihr erstes Semester in Münster beginnen, nach Kräften dafür zu arbeiten über eine gute Ausbildung die persönlichen Voraussetzungen für eine einträgliche Arbeit zu schaffen, die so viel Freude macht, dass frau/man sie viele Jahre mit Begeisterung tun möchte. Einkommen ist eine Bedingung, um da zu wohnen, wo man wohnen möchte.

Bei all dem persönlichen Fortkommen bitte nicht vergessen, dass das Privileg einer ausgezeichneten Ausbildung nicht nur eine individuelle Leistung sondern ebenso Ergebnis einer gesellschaftlichen Herkunft ist. Wer in den oberen Teil der Gesellschaft geboren wurde, hat nicht nur eine Verantwortung für sich, sondern auch für die Menschen im unteren Teil, weil es nur mit oben und unten überhaupt Gesellschaft gibt. Ich würde mich freuen, wenn über ein gesamtgesellschaftliches Engagement während der Studienzeit auch einige Berufspolitiker/innen in die Parlamente nachrücken würden, die bessere Lösungen für bezahlbares Wohnen in attraktiven Städten findet, als die Generation Polenz/Tilsner es zu Wege gebracht hat.

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