Von , 26.03.2014

Andreas Degenkolbe

Andreas Degenkolbe

Man sollte nicht über seine Verhältnisse leben.


Falls man dies mal doch muss, rechnet man sich vorher genau die Kreditraten aus, um nicht in den Bankrott abzurutschen.

Denn der schlaue Bürger teilt sein Netto-Einkommen grob in drei Sparten ein: Pflicht (Miete, Krankenversicherung, Haftpflicht, Neben,- Strom- und Heizungskosten, Ratenzahlungen, Altersvorsorge, Nahrungsmittel) und Kür (Kulturelle Teilhabe, Konzerte, Kino, Theater, Gastronomiebesuche, Sport, Urlaub, Luxus-Anschaffungen).

Die dritte Sparte wird meist nicht genau kalkuliert, sie heißt "Unsinn".
Das ist das Geld, das uns für Überflüssiges, meist Spontanes oder eben vorher nicht richtig Berechnetes durch die Finger fließt.

Reicht das monatliche Geld nicht aus, hat der Bürger Möglichkeiten, die Situation zu verbessern: Die Einnahmen zu steigern, ist meist schwierig. Da es sich verbietet, die Pflicht nicht mehr zu bezahlen, die Kür aber wichtig ist, um ein wirkliches Leben zu führen, bleibt nur, in der Sparte "Unsinn" genauer aufzupassen, eben nicht mehr so viel Geld zu verschleudern.
In der letzten Woche schrieb Ruprecht Polenz an dieser Stelle, es wäre falsch, einem neuen Stadtfest in Münster eine städtische Finanzspritze von ca. 150.000 Euro zu verabreichen.

Dies wurde von ihm mit den Ausgaben für wichtigere Bereiche wie Bildung und Ausbildung begründet, sowie mit der Verschuldung der Stadt. Auf den flüchtigen Blick schlüssig, aber:

Hier wird Pflicht gegen Kür ausgespielt - und ein wichtiger Punkt vergessen, nämlich die Sparte "Unsinn". Dämmte man überflüssige und überhöhte Ausgaben ein, z. B. aus überholten Verkehrplanungen angedachte Ausbauten von Autotrassen, obwohl unsere moderne Gesellschaft inzwischen ganz anderer Konzepte bedarf, so bliebe auch genug Geld für ein Stadtfest.
Denn die Attraktivität einer Stadt besteht zu einem erheblichen Teil aus dem kulturellen Angebot - dazu zählt auch ein Stadtfest. Gerade, wenn es so anspruchsvoll gestaltet wurde wie das Eurocityfest. Dieses Stadtfest, das unter allen ähnlichen Veranstaltungen in Deutschland in Beliebtheits- und Bekanntheitsgrad den achten Platz belegte (bei insgesamt 76 Großstädten in Deutschland) ist ein Teil dessen, was die Attraktivität Münsters ausmacht.
Die kulturelle Attraktivität einer Stadt oder Region ist für das wirtschaftliche Fortkommen unabdingbar. Kultur kostet Geld. Ohne Förderung geht es nicht.
Das Eurocityfest wurde nicht fortgeführt, weil sich die Rahmenbedingungen geändert hatten: Kosten, die an die Stadt abgeführt werden mussten, stiegen. Die Sponsorengelder flossen inzwischen aber nicht mehr so reichlich wie noch vor 20 Jahren. Es war nicht mehr machbar.

Die vom Rat vor einigen Jahren aufgestellte Forderung, man wolle bei einem zukünftigen Ausrichter des Stadtfestes kompletten Einblick in alle Bücher, ohne aber selbst mit ins finanzielle Risiko gehen zu wollen, wurde zurecht von seriösen Veranstaltern abgelehnt.

Da ist es absolut richtig, jetzt eine städtische Förderung einzuplanen.
Wer reingucken will, muss auch Geld reinstecken.

Wenn der Rat sich jetzt an das hält, was der vernünftige Bürger jeden Monat macht, benötigt es auch keine zusätzliche Verschuldung: Pflichten bezahlen, Kür genießen, Unsinn sein lassen.

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