Von , 25.06.2014

Arno Tilsner

Arno Tilsner

„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Licht empor!“ Ich weiß nicht, wie oft Sigmar Gabriel in den letzten 37 Jahren diese Hymne der Sozialdemokraten gesungen hat. Verstanden hat er kein Wort. Schade! Dabei kann man diesen ersten Satz kaum falsch interpretieren: 'Sonne', 'Freiheit‘, 'Licht', 'empor'.
'Empor' bedeutet oben. Sigmar Gabriel - kaum ist er als Wirtschaftsminister vereidigt - strebt er nach unten, in den Boden. Sigmar Gabriel will fracken. Er will es unbedingt, auch wenn er weiß, dass es für die in Amerika entwickelte Fracking-Technik - bei der Öl und Gas mit einem unbekannten Chemiekalien-Cocktail (Betriebsgeheimnis) unter hohem Druck aus tiefen Gesteinsschichten gepresst wird - zur Zeit in Deutschland keine Mehrheit gibt. Sigmar Gabriel reicht die fette Mehrheit seiner Großen Koalition, um den amerikanischen Konzernen den deutschen Untergrund zu öffnen. Deshalb hat er - wie ich las - den Antrag auf Genehmigung schon mal in Brüssel vorgelegt, obwohl es vom Bundestag noch gar keine Ermächtigung für diesen Schritt gibt. Die Sache soll schnell über die Bühne gehen, am besten noch vor den Sommerferien.


„Hell aus dem dunklen Vergangnen leuchtet die Zukunft hervor.“ So singen die Genossen weiter, wenn sie im Rampenlicht stehen. Wenn die Show vorbei ist, dirigiert ihr Vorsitzender Deutschland zurück zu den Anfängen der Industriegesellschaft, die sich rund um fossile Brennstoffe organisierte. Ganz so, als hätte dieses Land nicht 40 Jahre über die klimaverändernde Wirkung von Verbrenungsgasen diskutiert. Sigmar Gabriel ist diesbezüglich fachkundig. In seine Amtszeit als Bundesumweltminister (2005-2009) fielen fünf (!) Welt-Klimakonferenzen. Traurige Wahrheit, die sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie zieht: ihre Lieder sind immer nur Gesänge geblieben.

Dabei hatte Hermann Scherchen in dem 1918 aus dem russischen nachgedichteten Arbeiterlied die 2. Zeile zur besseren Erinnerung noch einmal wiederholt: „Hell aus dem dunklen Vergangnen leuchtet die Zukunft hervor.“ Die Zukunft, die da leuchtet, ist die weltweite, dezentrale Erzeugung von Strom aus Sonnenlicht. Einer der Mega-Milliarden-Märkte dieses gerade begonnenen Jahrhunderts. Deutschland war in dieser Technologie bisher führend. Statt den Vorsprung mit geschickter Intensivierung der Förderung weiter auszubauen und Marktanteile in ganz Europa dazu zu gewinnen, streichen SPD und CDU dieser Tage den in zwei Jahrzehnten erarbeiteten Vorsprung zusammen.

Wie dumm ist das denn? In Kürze wird man sich in Amerika bedanken für dieses immer wieder gesehene deutsche Unvermögen, bei Trend-Technologien den eigenen Vorsprung zu behaupten. Wall Street weiß, wie man aus Trends Gewinne macht. Die Deutschen Sozialdemokraten werden von ihren Irrtümern unbeirrt weiter singen: „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Licht empor!“ - Arno Tilsner

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