Von , 09.07.2014

Andreas Degenkolbe

Andreas Degenkolbe

Manche behaupten, die Kunst läge im Weglassen.
Mag sein - in der Politik ist das Weglassen allerdings ärgerlich. Besonders dann, wenn Bezüge zu historischen Vorgängen weggelassen werden, um die aktuelle Politik schönzureden.


So nannte Ruprecht Polenz in der letzten Woche ganz richtig die Gründe für die Entstehung des Ersten Weltkrieges - ließ aber die Analogie zur aktuellen Ukraine-Krise weg, um die Außenpolitik von Regierung und EU loben zu können: Die Automatismen.

Wir lassen sie hier mal nicht weg: Im Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine stand auch die Absicht der militärischen Zusammenarbeit. Dies war der Anlass für Putin, so zu handeln, wie er handelte. Putin agiert ohne Recht - aber mit Anlass. Denn in der Außenpolitik geht es ausschließlich um Interessen, nicht um Moral. Die EU hat also nicht Schlimmeres verhindert, sondern den Konflikt durch Unfähigkeit und Ignoranz ihrer Handelnden erst erzeugt, mindestens aber forciert.

Ohne den unseligen Automatismus "EU = NATO" wäre es nicht dazu gekommen. Man hätte auch vorher mit allen Betroffenen, auch Putin, reden können. Sogar müssen. Es gibt Telefone - die sind nun wirklich kein Neuland mehr...

Nun wird wieder gedroht, erst mit wirtschaftlichen Sanktionen; auch die militärische Option wird von Berufs-Säbelrasslern der NATO-Führung nicht ausgeschlossen. Sogar die atomare Bedrohung des Kalten Krieges wird posthum mal eben als Erfolg verklittert.

Es scheint ein Merkmal der Politik unserer Zeit zu sein, die Probleme erst selbst zu erzeugen, indem man z. B. jahrzehntelang Tyrannen oder Terrorgruppen mit Waffen und Infrastruktur versorgt - um später militärisch eingreifen zu "müssen". Dann gerne mit der Behauptung, dort ganz plötzlich für Freiheit und Demokratie sorgen zu wollen.

Der normale Soldat, der sein Leben riskiert, glaubt das auch - der Leidtragende hat das reinste Herz. Tatsächlich sind in nahezu allen Einsätzen der Bundeswehr in den letzten Jahren andere Gründe zu sehen: Rohstoffe, Schürf- und Förderrechte, geostrategische Brückenköpfe.

Und dafür sterben auch deutsche Soldaten. Ex-Bundespräsident Köhler sagte dies ganz offen. Er wurde aus dem Amt gemobbt.

Ein Bundespräsident, der heute sagt, gerade unsere deutsche Geschichte sollte es uns zur Pflicht machen, allerdings auch nur als allerletztes Mittel auch militärisch einzugreifen, wenn anderswo Leben und Freiheit von Menschen bedroht werden, hat damit völlig recht.

Als Politiker kennt er aber die wirtschaftlichen Interessen und strategischen Motive dahinter. Trotzdem fordert er ein stärkeres Engagement der Deutschen in diesem Zusammenhang. Mit dieser Mogelpackung betreibt er etwas ganz anderes:
Die präsidiale Legitimierung des Angriffskrieges.

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