Von , 13.08.2014

Arno Tilsner

Arno Tilsner

„Ich finde das kapitalistische System gut“. Zu diesem Glaubensbekenntnis gegenüber der Bild-Zeitung hat Bernard Charles Ecclestone - genannt „Bernie“ - am Dienstag letzter Woche allen Grund. Eben ist er gegen Zahlung von 100 Millionen Dollar der deutschen Strafverfolgung in einem Bestechungsverfahren entkommen. Die Münchener Staatsanwaltschaft hat angesichts der enormen vom Angeklagten angebotenen Summe ihr Strafverfolgungsinteresse aufgegeben. Der 83jährige prominente englische Milliardär hat es ihr ab- und sich damit frei gekauft.


Wer bisher glaubte, so etwas sei in Deutschland - einem der organisiertesten Rechtsstaaten dieser Welt - unmöglich, kann nun wissen: wir haben uns getäuscht. Grund genug etwas genauer hinzuschauen.

Was ist das für ein Kapitalismus 2.0, der da aus der anglo-amerikanischen Welt nach Kontinentaleuropa drängt? „Freihandel“ finde ich für die neue Qualität einen passenden Oberbegriff. Das große Kapital möchte sich endlich der kleinlichen, nationalstaatlichen Schranken entledigen, die es in seiner Entfaltung behindern. Im Fall Ecclestone ging es um Anteile an einer Formel-1-Holding, die den weltweiten Rennzirkus betreibt, in dem Michael Schumacher sieben Mal Weltmeister wurde. 2002 lagen nennenswerte Anteile an der Formel-1 bei einer Gesellschaft des Münchner Medienhändlers Leo Kirch. Als der damalige Vorstandssprecher der Deutschen Bank Breuer die Kirch-Gruppe mit einem lockeren Spruch gegenüber der Presse in New York in die Insolvenz schickte, wechselten Kirchs Anteile an der Formel-1-Holding zur Bayerischen Landesbank (BayernLB), wo sie als Sicherheit für einen Kredit hinterlegt waren. Von dort wurden sie zu einem dem Formel-1-Boss Ecclestone genehmen Preis an einen Ecclestone genehmen Investor verkauft.

Für die Durchführung dieses Deals zahlte Ecclestone dem federführenden BayernLB-Banker Gerhard Gribkowsky 40 Millionen Dollar. Recherchen der Süddeutschen Zeitung führten Ende 2010 auf die Spur zu Gribkowskys Privatstiftung „Sonnenschein“, auf deren Konten das Geld über verschiedene Umwege geflossen war. Im Juni 2012 verurteilte das Landgericht München den geständigen Landes-Banker deshalb zu 8 1/2 Jahren Haft wegen Bestechlichkeit.

Nur zu verständlich, dass der Geldgeber Ecclestone ein System gut findet, in dem er unter dem Vorsitz des gleichen Richters, der Gribkowskys wegen Bestechlichkeit verurteilte, weitere 100 Millionen an die Bayrische Landeskasse zahlt, um nicht als der Bestechung Angeklagter verurteilt zu werden. Stattdessen verließ „Bernie“ Ecclestone als freier, unbescholtener Kosmopolit den Gerichtssaal, der die 100 Millionen Überweisung per Telefon auf dem Weg zum Flughafen vom Rücksitz seiner dunklen Limousine aus disponierte. „Freihandel“ im Kapitalismus 2.0 mitten in Deutschland.
- Arno Tilsner

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