Von , 27.08.2014

Arno Tilsner

„Wandel durch Annäherung“ überschrieb Egon Bahr einen Vortrag, den er am 15. Juni 1963 in der Evangelischen Akademie Tutzingen hielt. Der Sozialdemokrat war zu diesem Zeitpunkt Presseamtschef des Westberliner Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt.

In der ersten Brandt Regierung ab 1969 wurde Egon Bahr Staatssekretär im Bundeskanzleramt und gilt als Architekt wichtiger Ost-West-Verträge, die den eisernen Vorhang des Kalten Krieges durchlässiger machten.
Helmut Kohl hat diesen Grundgedanken deutscher Ostpolitik der 70er Jahre in den 80ern fortgesetzt und die Gunst der Stunde nutzend den Siegermächten des 2. Weltkriegs - vor allem der Sowjetunion - die deutsche Wiedervereinigung abgehandelt.

Dreh- und Angelpunkt der damaligen Vereinbarungen mit Michail Gorbatschow war die Zugehörigkeit des vereinten Deutschlands zur NATO. Im Gegenzug haben Kohl und Genscher Gorbatschow zugesichert, keine Osterweiterung der NATO über die deutsche Ostgrenze hinaus zu betreiben.

Wkipedia(dot)org schreibt dazu: „Als wichtige Etappe auf dem Weg, die NATO-Zugehörigkeit des vereinten Deutschlands für die Sowjetunion akzeptabel zu machen, ist der Londoner NATO-Gipfel der Staats- und Regierungschefs vom 5./6. Juli 1990 anzusehen, der eine neue, defensive Ausrichtung des Bündnisses beschloss und die Mitglieder des Warschauer Paktes einlud, sich gemeinsam über den Verzicht auf die Androhung und Anwendung von Gewalt zu einigen. Diese politische Umorientierung der NATO bedeutete zugleich einen außenpolitischen Erfolg und zusätzlichen Prestigegewinn für Gorbatschow auf dem zeitgleich stattfindenden KPdSU-Parteitag in Moskau, der seine vordem fraglich gewordene Stellung festigte.[71] Von der im Zuge dieser Verhandlungen der Sowjetunion zugesagten Zurückhaltung bei der NATO-Osterweiterung wich der Westen später ab, was in Russland Unmut hervorrief.“

Ungeachtet dessen unterhielt Gerhard Schröder in seiner Zeit als Bundeskanzler ab 1998 ein freundschaftliches Verhältnis zum Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin. Ein friedliches halbes Jahrhundert Wandel durch Annäherung zwischen Ost und West in Europa, im dem sich Deutschland mit seiner Mittellage prächtig entwickelt hat.

“Wandel durch Annäherung“ war gestern. Unter größtmöglicher Missachtung aller russischen Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen führt der Westen auf dem Ticket ‚Selbstbestimmung für die Ukraine‘ das Einflussgebiet der Nato bis an die Westgrenze Russlands heran. Ohne Parlamentsbeschluss und ohne Regierungsauftrag verkündete der amtierende Nato Generalsekretär Anders Fogh Ramussen vor einer Woche über die BILD-Zeitung: “Die Nato könne grundlegend dabei helfen, das ukrainische Militär zu reformieren und zu modernisieren, … . „Kurzfristig gesehen bedeutet das auch, dass das ukrainische Militär öfter an Nato-Übungen teilnehmen kann.“ Partnerschaftliche Zusammenarbeit in Europa wird so nicht funktionieren. - Arno Tilsner

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