Von , 03.09.2014

Arno Tilsner

Es ist 4:04 am Dienstagmorgen. Sprachlos von einer Woche öffentlicher Diskussion im Umfeld tief gläubiger Atlantiker hatte ich vor Mitternacht beschlossen, diese Seite 3 ohne einen politischen Beitrag verstreichen zu lassen. Radikalisierung bringt nichts. Wenn im öffentlichen Diskurs nur noch schwarz/weiß zählt - die Propaganda-Wahrheit der einen oder der anderen Seite - ziehen sich Farbe und Vielfalt aus der Welt zurück. Zwischentöne und Schattierungen verschwinden - sie sind unerwünscht, weil sie das Feindbild stören.

Arno Tilsner

Bizarrer kann ein 75. Jahrestag des beginnenden 2. Weltkriegs nicht verlaufen, wenn die Parteien des Deutschen Bundestages an diesem Tag mit überwältigender Mehrheit Kriegswaffen in ein Kriegsgebiet schicken.
Ein Gebiet, in dem mit voller Absicht in der Zivilbevölkerung gemordet, gebrandschatzt, gefoltert, verschleppt, vergewaltigt wird, als hätte es ein Ende des 30jährigen Krieges nicht gegeben. Ein Bankrott der Diplomatie, der sich von langer Hand angekündigt hat.


Dass ich trotz alledem mit der 2. Tasse Espresso im Morgengauen diesen Presseausweis schreibe verdankt sich einer Meldung, die um 3:21 auf Handelsblatt online erschien. In einer Schlafpause um 3:40 las ich: „Das vorläufige Aus für Uber“. Das Landgericht Frankfurt hat den Fahrdienst in Deutschland vorläufig verboten. Wenn die Richter in dieser Sache den Allerwehrtesten hoch bekommen, will ICH nicht liegen bleiben. „Uber wurde 2009 ursprünglich als Limousinenservice von Garrett Camp und Travis Kalanick (heute CEO) in San Francisco gegründet und hatte 2013 einen Umsatz von 213 Millionen Dollar.Hinter dem Unternehmen stecken nach eigenem Bekunden die Investoren Benchmark Capital, Goldman Sachs und Google Ventures, First Round Capital, Menlo Ventures und Lowercase Capital. Anfang Juni 2014 erhielt das Start-up 1,2 Milliarden Dollar Risikokapital von Investoren wie Google und Goldman Sachs - der Wert des Unternehmens wird seitdem auf mindestens 17 Milliarden Dollar geschätzt.“ (Quelle: Wikipedia)

Von einer halben auf 17 Milliarden in einem Jahr: so sieht es die Welt der radikalen Atlantiker gerne. Dass damit der Berufsstand der Taxifahrer von heute auf morgen in den Abgrund gerissen wird, ist unter der Fahne des Freihandels bestenfalls ein Kollatteralschaden.

Uber ist nur der Vorbote dessen, was mit dem Transantlantischen Freihandelsabkommen (englisch Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP oder auch Trans-Atlantic Free Trade Agreement – TAFTA, Quelle: s.o.) unbehindert von nationalen Gesetzen auf Europa zu rollt.
Um 6:02 schaue ich in das Gesicht von Sigmar Gabriel im VORWÄRTS. „TTIP ist die letzte Chance für Europa“ sagt er. Ich sage: „Gute Nacht, Sozialdemokraten“. Wir sollten die Denkpause, die die Frankfurter Richter dem „Freihandel“ in Deutschland verordnet haben, zu einer Diskussion dieser von langer Hand vorbereiteten Bankrotterklärung nationaler oder europäischer Gesetzgebung nutzen, bevor die Große Koalition TTIP verabschiedet.
- Arno Tilsner

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