Von , 12.08.2015

Arno Tilsner

Arno Tilsner

Mit der 2015er Revision des World Population Prospects hat die UN-Population-Division Ende Juli ihre Prognose zur Entwicklung der Weltbevölkerung aktualisiert. Die Experten gehen nicht mehr davon aus, dass das Wachstum bei 9,5 Milliarden Menschen auf dem Planeten um 2050 seinen Höchststand erreicht haben wird. Stattdessen glaubt man, bis zur nächsten Jahrhundertwende in 85 Jahren könnten möglicherweise mehr als 11 Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Mit einem besonders deutlichen Anstieg rechnet die UN Prognose für den afrikanischen Kontinent: eine Steigerung von heute 1,2 auf dann über 4,4 Milliarden Bewohner/innen.


Ich schreibe diesen Presseausweis 200 Kilometer Wasserweg entfernt von Oran (Afrika), der zweitgrößten Stadt Algeriens. Münster ist von Hamburg weiter entfernt als Almeria (Spanien) von Oran (Algerien). Afrika und Europa sind Nachbarn. Das sollten wir bedenken, wenn wir in der UN Prognose lesen, wie stark die Population dort wachsen wird.

Vor allen Dingen sollten wir kühlen Kopf bewahren. Wir auf dem europäischen und unsere Nachbarn auf dem afrikanischen Kontinent brauchen Lösungen für ein friedliches Miteinander.

Bevor wir Afrikanerinnen und Afrikanern Ratschläge erteilen, sollten wir uns in Europa konstruktiver als bisher mit unserem wirtschaftlichen Nord-Süd-Gefälle beschäftigen. Es reicht nicht, stetig größere Geldströme in den Süden Europas zu leiten, die dort nicht weiterhelfen, weil mit der neuen Ausleihe zu großen Teilen alte Kredite mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt werden.

Im Stil eines gigantischen Schneeballsystems folgt eine Rettungsaktion der nächsten. In dieser Woche Griechenland III, das in wenigen Jahren Griechenland IV nach sich ziehen wird.

In den Ländern rund ums Mittelmeer sollten zügig mit staatlichen und privaten Programmen Investitionen in Gang gebracht werden, die tausende arbeitslose Jugendliche - 53% der 15-24 Jährigen in Spanien sind arbeitslos - in Qualifikation und Arbeit bringen, damit sie mithelfen können, den natürlichen Schatz dieser Region zu heben: seinen Energiereichtum.

Energiereichtum? Ja, Sonnenschein! Millionen Nordeuropäern ist der südliche Sonnenschein von ihren Urlaubsreisen bekannt. Saubere Energie, die die Menschen in den Ländern selbst nutzen und wir im Norden ihnen abkaufen können, statt den Planeten mit Braunkohleverstromung und anderer fossiler Verbrennung weiter hoffnungslos aufzuheizen, bis im Süden Europas afrikanische Temperaturen herrschen.

Wir lesen, sehen und hören seit Jahren dieselbe Meldung: auch dieses Jahr ist wieder das wärmste Jahr seit Beginn regelmäßiger Wetteraufzeichnungen. Gleichzeitig hat jede(r) das Gefühl, wir bräuchten noch mehr Wachstum und könnten deshalb nichts gegen diesen Trend tun.

Ich meine: solange wir leben, begeistern wir uns ständig dafür, unsere permanent wiederkehrenden Dilemmata ins Glück zu wenden. Wir sollten auch der sozialen Notwendigkeit das Nord-Süd-Gefälle zu befrieden unsere Begeisterung schenken und den Reichtum des Südens (Sonnenschein) als Zahlungsmittel akzeptieren. - Arno Tilsner

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