Von , 09.09.2015

Stefan Bergmann

Stefan Bergmann

Dann versuchen wir es doch mal auf griechisch: „demos“ und „kratein“ sind die Grundlagen unseres Staatssystems. Das „Volk“ (im Staat) „herrscht“. Eine bessere Staatsform hat man bisher nicht gefunden, weshalb eigentlich alles in Ordnung sein müsste. Doch wie passt dann die Existenz von Bürgerinitiativen ins Bild? Warum müssen sich Bürger - geeint in ihrer Ablehnung oder Zustimmung gegen oder für ein Projekt - zusammenfinden, protestieren, Bürgerentscheide organisieren. Wie kommt es, dass in Münster, wo vieles gut läuft, 14 Bürgerinitiativen versuchen, den Oberbürgermeister-Kandidaten zu vermitteln, dass sie sich verschaukelt fühlen von der Politik und der Stadtverwaltung. Missachtet, untergebuttert, nicht informiert? Natürlich, soviel Ehrlichkeit muss sein: Mitunter ist es ein bisschen St. Florian. Bitte nicht hier, lieber woanders. Weil hier passt es ja mal gar nicht. Aber woanders schon Dieses Verhalten ist menschlich und verständlich, bringt aber in Konflikten um große Projekte kaum weiter. Doch, und das hat man bei der Diskussion im Jovel letzte Woche deutlich gemerkt, vielen geht es um etwas anderes: Sie fühlen sich bevormundet und als Bürger nicht ernstgenommen. Von der Politik, und noch mehr von der Verwaltung. Zwar finden alle planungsrechtlich vorgeschriebenen Bürgerinformationen statt. Doch die gab es im Vorfeld von Stuttgart 21 auch. Das Ergebnis ist bekannt. Als der erste Bagger kam und die Planung konkret wurde, war die Hölle los.
Was kann man daraus lernen, und was heißt das für den oder die künftige Oberbürgermeister/in? Vermutlich das: Ihm oder Ihr fällt die Rolle zu, Stadtplanung abseits der gesetzlich vorgeschriebenen Informationstermine menschlich zu machen, sie bürgernah zu gestalten. Rauszugehen zu den Menschen, ihnen Informationen geben, noch bevor sie fragen. Ihnen Lösungen anbieten für Probleme, die sie noch gar nicht kennen. Ihnen Projekte erklären, lange bevor sie ihnen laut Gesetz erklärt werden müssten.
Politische Macht hat ein Oberbürgermeister kaum. Er hat nur eine Stimme im Rat. Und manchmal hat er noch nicht einmal eine Ratsmehrheit. Oft genug muss er ausbaden, was der Rat anrichtet. Muss Bürgern das Unerklärliche erklären. Markus Lewe dürfte davon ein Lied singen können. Doch der OB hat auch die Chance, der Politik und der Stadtverwaltung ein freundliches Gesicht zu geben. Schwierige Entscheidungen zu vermenschlichen, sie zu erklären. Er kann seine Verwaltung antreiben, rauszugehen zu den Menschen. Und nicht nur vom Schreibtisch aus zu herrschen, also bürokratisch (Achtung, schon wieder griechisch: „bureau“, französisch für „Amtsstube“ und „kratein“, siehe oben). Man muss konstatieren: Lewe läuft sich die Hacken wund von Mensch zu Mensch. Jochen Köhnke als derzeitiger Ausländerdezernent auch. Maria Klein-Schmeink zeigt in ihrer Politik ebenfalls die menschliche Seite, so auch bei der Jovel-Diskussion.
Alle drei könnten Oberbürgermeister.


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