Von , 06.01.2016

Arno Tilsner

Arno Tilsner

Deutschland, "wir schaffen das!" Ich bin weiß Gott kein Merkel-Fan. Aber Ihr Aufruf an die alternde, selbstzufriedene deutsche Rentner*innen Gesellschaft, die gerne um den Globus reist, um dabei festzustellen, dass es nirgends so perfekt ist, wie dahoam, dieser Merkel-Aufruf mit einem ordentlichen Anteil weiblichen 'Nicht-zuende-Denkens' gefällt mir.
Weibliches 'Nicht-zuende-Denken' hier ausdrücklich nicht im Sinne einer Kritik, sondern in dem Sinn, dass es in der Frage der kommenden Wanderungsbewegungen nichts zu Ende zu denken gibt. Hunderttausende sind in Bewegung geraten und werden in Bewegung bleiben.
Was ist angesichts dessen zu tun? Früh aufstehen, Ärmel hochkrempeln und schaffen. Es ist diesmal keine nationale Aufgabe wie bei der Integration der DDR. Die Aufgabe ist global. Eine Generation Wegwerfgesellschaft mit Billigimporten aus aller Welt fällt uns - dem wohlhabenden Exportweltmeister - gerade auf die Füße. Zu den von uns dem Rest der Welt diktierten Bedingungen sehen Millionen junger Männer in ihren Heimatländern keine Zukunft und machen sich auf den Weg zu uns.
Gemessen an unserer eigenen europäischen Geschichte übrigens bewundernswert friedlich. Ganz anders als die ca. 10 Millionen europäischer Bauernsöhne, die unter dem Schutz kleiner Militärkontingente im 17., 18. und 19. Jahrhundert in fremde Kontinente vordrangen, die dort heimische Bevölkerung niedermetzelten, unterwarfen und ihnen ihr Land raubten. Diese europäische Wanderungsbewegung nennt man Kolonialismus und nicht wenige in Europa sind noch heute stolz darauf und wohlhabend bis reich deshalb.
Nach einigen Generationen stehen nun die Nachfahren aus den Kolonien in Europa vor der Tür. So sehen wir Kolonialherren also unsere Geschichte wieder. Deutschland hatte zwar nicht viele Kolonien, gehört aber zur Gewinnerseite des kolonialherrlichen Systems.
Die aus ihrem wenig schönen dahoam Geflüchteten kommen mit leeren Händen und dem Nötigsten am Leib. Es ist ihre schiere Menge verbunden mit einem unterschiedlicher kaum möglichen Sozialisationshintergrund, die eine schnelle Integration in eine der modernsten Hochleistungsgesellschaften der Welt zu einer großen Aufgabe macht.
Angela Merkel meint: packen wir's an. Sie hat Recht. Denn wir in Europa müssen nicht nur diese eine Million Flüchtlinge ausbilden und gesellschaftlich integrieren, sondern in den kommenden Jahrzehnten viele Millionen mehr. Ob wir das hier im Land leisten oder bei einem sinnvollen Aufbau der Nachbarkontinente mithelfen, so oder so brauchen wir Erfolge, die entschieden über das in der Vergangenheit Geleistete hinausgehen. - Arno Tilsner


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