Von , 20.01.2016

Stefan Bergmann

Stefan Bergmann

Man muss konstatieren: Der Mann hat Mut. Aber er hat auch den Status des Wissenschaftlers. Und deswegen hat er keine Denkverbote, muss nicht nach Wählerstimmen schielen. Professor Martin Robert Lühder hält die Einführung einer City-Maut in Münster - nach Londoner Vorbild - für möglich und nötig. Sie soll dem täglichen Verkehrschaos in der Innenstadt ein Ende bereiten. Kann das funktionieren?
Nun, die schlechte Nachricht vorweg: In London hat es nicht funktioniert. Zwar benutzten nach der Einführung zunächst mehr Menschen den Bus oder das Fahrrad. Doch bereits nach einigen Jahren war die City so voll wie zuvor, gibt die Londoner Verkehrsbehörde TfL laut Informationen des „Handelsblatt“ zu. Ist die City-Maut also mehr als nur eine neue Einnahmequelle für die Stadt?
Vielleicht ist die Forderung von Lühder nicht falsch. Doch politisches Gehör wird sie kaum finden. Zurzeit streitet er sich nur mit der Industrie- und Handelskammer über seinen Vorschlag. Und die Politik schaut staunend zu: Denn Sie wurde nie gefragt.
Der Zustand der Innenstadt ist von Politik und Stadtverwaltung so gewollt, wie wir ihn täglich vorfinden: Von Autos verstopfte Straßen, lange Wartezeiten vor Parkhäusern, lange Schlangen Samstagvormittags auf den Einfallstraßen, weil das halbe Münsterland in die Provinziale kommt - auf dem platten Land gibt’s offenbar keine Läden. Der Bau von riesigen Parkhäusern in der Innenstadt - jahrelang gefordert von Geschäftsleuten und konservativen Kreisen der Politik - zieht natürlich Blechlawinen nach sich, die in Richtung Innenstadt rollen. Der Park-and-Ride-Parkplatz an der Weseler Straße dagegen fristet ein trostloses Leben. Kein Wunder, denn das Angebot ist halbherzig und nur noch ein stummes Überbleibsel der rot-grünen Regierungszeit.
Manche sagen, Münster sei die italienischste Stadt nördlich der Alpen - und meinen damit sowohl das Flair in der Innenstadt, als auch den chaotischen Verkehr. Die Zahl der verletzten Radfahrer (verletzte durch Unfälle mit Autos, wohlgemerkt) ist mit 750 pro Jahr erschreckend hoch. Doch auch diese Zahlen bewegen niemanden wirklich, beispielsweise über die seit langem von der Polizei geforderten flächendeckenden Tempo-30-Zone für die Innenstadt nachzudenken. An vorvergangenen Wochenende erneuerte die Polizei ihre Forderung. Münster rühmt sich als Fahrradstadt - und vergöttert weiterhin das Auto. Und selbst kleinste Schritte in Richtung Ökologie sind kaum sichtbar. Oder weiß jemand, wo in der Innenstadt Ladesäulen stehen für E-Autos?
Eine City-Maut würde in Münster genausowenig funktionieren wie in London. Der Bürger würde das Geld bezahlen, um seine Lust am Stau zu erleben und um das gute Gefühl zu haben, seine Tüten nur 50 Meter zum nächsten Parkhaus tragen zu müssen. Eine Verkehrswende in Münster - die ist trotz oder wegen der schwarz-grünen Koalition im Rat nicht denkbar. Und wenn sie käme, dann nicht durch die Maut.


Archivtexte Presseausweis

Beiträge 2016