Von , 21.12.2011

Die kleine Hühneschar auf dem Bauernhof

Es war nicht das Aufsehenerregendste in 2011, aber es ist auch passiert: 5 Hühner und ein Hahn sind als Bewohner auf einen Hof gezogen, den das letzte frei laufende Huhn vor vielen Jahren scheinbar für immer verlassen hatte. Ich habe sie mir einige Stunden angeschaut, wie sie ihre Umgebung ins Auge fassten, sich als kleiner Hühnerhaufen organisierten, der als Grüppchen durch alle Ecken und Winkel ums Haus streifte, immer auf der Suche nach etwas Leckerem zum Picken. Wenn es dunkel wird, zieht sie ihr ureigener Lebensrhytmus in den Stall auf eine Stange, und morgens geht es wieder raus in die Welt.


Um das Hühnervolk muss sich Mensch nicht ständig kümmern. Natürlich gibt es einige grundsätzliche Dinge mit den Katzen zu klären, die nach der Ankunft der neuen Bewohner sich ein ums andere Mal anschleichen und probieren, ob man als Katze nicht auch so ein Huhn packen kann. Katzen lernen, dass Hühner kurz auffliegen können und Hühner lernen, dass Katzen wie von der Tarantel gestochen davon flitzen, wenn man mit wildem Flügelschlag auf sie zu rennt. Nach wenigen Tagen sind die neuen sozialen Verhältnisse geklärt. Der Hofhund muss natürlich wiederholt ermahnt werden, dass Haushühner Freunde sind - kein Futter. Man kann es ihm nicht oft genug sagen, wenn er da sitzt, auf das Federvieh schaut und man sehen kann, wie in seinem Hundekopf die Frage arbeitet, was diese Hühner eigentlich von Rebhühnern unterscheidet.

Ein Unterschied ist der, dass sie uns leckere Frühstückseier legen - in die gleichen kleinen Holzkisten, in die schon Jahrzehnte zuvor Hühner Frühstückseier gelegt hatten. Das Huhn im allgemeinen hat also seine Lebensart nicht verlernt.

Hier sollte diese Hühner-Geschichte zum Jahresausklang ganz unpolitisch enden, hätte es nicht auf FaceBook einen knappen Diskurs mit Wolfgang Heuer über Hafen- und Stadtentwicklung gegeben. Also schaue ich auf dem Bild noch etwas genauer hin, auf das rot/grüne Backsteingebäude im Hintergrund. Ein moderner Stall, in dem einige tausend Hähnchen zu ganz anderen Konditionen leben als das launige Hühnervolk im Vordergrund. Investoren sind über das Land gezogen und haben in wenigen Jahrzehnten eine Landwirtschaft nach ihrem Bilde geformt. Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, was passiert, wenn Investoren über die Stadt ziehen. Sie wollen möglichst effizient ihr Geld vermehren.

Mit der heutigen Lebensart der Stadtbewohner/Innen hat das nichts zu tun. Um die Lebensart der Menschen kümmern sich in einer Demokratie Gewählte in der Politik. Wenn sich die Gewählten vor allem um die Investoren kümmeren, müssen sich die Stadtbewohner um sich selbst kümmern, wenn sie nicht bei einer nur für Investoren effizienten Lebensart enden wollen.

Einen fröhlichen Jahreswechsel wünsche ich uns allen. - Arno Tilsner

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