Von Carsten Krystofiak, 18.01.2017

In dieser Woche vor 96 Jahren... wurde die Krawall-Oper aufgeführt.

Der Münsteraner August Stramm war eigentlich ein braver Postbeamter und typischer Zeitgenosse des Kaiserreiches. Doch in seiner Freizeit widmete er sich einem ganz besonderen Hobby: Dem Verfassen expressionistischer Lyrik. Seine abgehackten Reime, die harte Sprache ohne Grammatik und die sexuellen Themen waren so etwas wie Gangsta-Rap seiner Zeit.

Im Ersten Weltkrieg fiel Stramm nach einem Jahr als Kompanieführer an der russischen Front. Doch er hinterließ zahlreiche Werke. Alfred Döblin kopierte Stramms Stil in seinerm Drama „Berlin Alexanderplatz“ und wurde damit schwer erfolgreich. Der Komponist Paul Hindemith verarbeitete Stramms Porno-Poetry zu einem Opern-Einakter mit dem Titel „Sancta Susanna“. Darin geht es um eine Nonne, die beim Beten vor dem Kreuz in Sex-Extase mit einer Riesenspinne gerät.

Neuerdings wird der Sex-Klamauk wieder aufgeführt, reißt aber niemanden mehr vom Hocker...

Hindemith schraubte die „Oper“ in nur drei Wochen zusammen und ließ sie in Frankfurt am Main aufführen. Das Premieren-Publikum tobte – vor Empörung! Die Presse nannte die Punk-Performance „pervers und wertlos!“ Hindemith ließ das Werk für immer in der Schublade verschwinden, auch um einem Berufsverbot zu entgehen, da er von der Kirche angezeigt wurde. Selbst seine Erben erließen noch in den 1950er Jahren ein Aufführungsverbot.


Da war der Münsteraner Urheber der Aufregung längst vergessen.

Neuerdings wird der Sex-Klamauk wieder aufgeführt, reißt aber niemanden mehr vom Hocker...

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