Von Carsten Krystofiak, 19.08.2020

In dieser Woche vor 142 Jahren … gründete sich der SPD-Ortsverein.

Banner der Socialdemokrathie: Mit der „Einigkeit“ ist es momentan so eine Sache…

In der münsterschen Kneipe Bombeck treffen sich fünfzehn Männer und gründen bei Bier und Zigarren den „Leseverein Unitas“. Doch das ist nur eine Tarnbezeichnung. Die Fünfzehn sind geheime Anhänger der „Socialdemokrathie“. Ihr vorgeblich harmloser Lesestoff sind die Schriften der Arbeiterführer August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Dass sie so konspirativ vorgehen, hat gute Gründe, denn der politische Arm des Proletariats gilt den Obrigkeiten als extrem suspekt. „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“, hatte der preußische König noch 1848 gerappt. Darum setzen sie aus Geheimhaltungsgründen kein Gründungsprotokoll auf. Das tut ein anderer – ebenfalls heimlich: Mit am Tisch in der Runde sitzt ein Genosse Kolkmann. Doch der ist in Wahrheit kein roter „vaterlandsloser Geselle“, sondern „Polizei-Commissar“ mit Spitzelauftrag. So wird der erste Sozi-Club in Münster gleich von Anfang an behördlich unterwandert – und kaum gegründet, auch schon wieder polizeilich verboten. Nur wenige Wochen darauf verbietet das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Socialdemokrathie“ auf Bismarcks Initiative ohnehin jede politische Betätigung unter roten Fahnen. Wilhelm II. hob das Sozialistengesetz 1890 wieder auf. Kein Wunder, dass es in Münster bis 1994 dauerte, bis die Sozialdemokraten die Oberbürgermeisterin stellten. Diese Episode ist allerdings auch schon wieder Geschichte…


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