Von Carsten Krystofiak, 11.01.2023

In dieser Woche vor 125 Jahren…

…fing Geisberg an zu graben.

Max Geisberg war familiär vorgeprägt: Sein Vater war Münsters Stadtarchivar. Schon mit Anfang Zwanzig hielt der Junghistoriker einen Vortrag vor dem Verein für Westfälische Geschichte und „Alterthumskunde“. Denn am Kreuztor hatte er bei Hobby-Ausgrabungen mutmaßliche Bruchstückchen von Kirchenskulpturen gefunden. Seine These: Unter der Kreuzschanze schlummern vermisste Kirchenschätze, die dort von den Wiedertäufern vergraben wurden. Kurzerhand griff Geisberg selbst zu Hacke und Schaufel und führte eine von ihm initiierte Grabung an. Tatsächlich: Unter der früheren Befestigungsanlage, die im 18. und 19. Jahrhundert geschleift und zur Grünanlage umgestaltet wurde, fanden sich mittelalterliche Heiligenstatuen vom Portal der Überwasserkirche. Die Wiedertäufer hatten die kolossalen Skulpturen dort abgebrochen und mit ihnen die Befestigung an der Kreuzschanze verstärkt. Der Fund machte Geisberg jr. zum Star des Altertumsvereins – und schließlich zum Direktor des Westfälischen Landesmuseums.

Geisberg besaß einen archäologischen Röntgenblick

Doch weil er als Freund des Münsteraner Bischofs Galen bekannt war, warfen ihn die Nazis nach ihrem Machtantritt wieder hinaus. Als der Krieg ausbrach, holte man ihn eiligst zurück, damit er Westfalens Kunstschätze retten sollte, die er in jahrelanger Arbeit inventarisiert hatte. Der Anblick seiner zerstörten Heimatstadt blieb ihm zu seinem Glück erspart: Geisberg starb vier Monate vor dem Horror-Angriff im Oktober 1943, der das alte Münster vernichtete.

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