Von Carsten Krystofiak, 24.07.2013

In dieser Woche vor 94 Jahren...

fing Joseph G. sein Studium an.

Anfang August kam der 19jährige Joseph aus Rheydt bei Wuppertal nach Münster, um Germanistik, Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte zu studieren. Seine erste Bleibe war eine verranzte Bude an der Wolbecker Straße. Seinem Tagebuch klagte er, der Boden sei so dreckig gewesen, dass er seinen Koffer in der Badewanne abgestellt habe.

Zum Glück fand er bald etwas Besseres: Ein Zimmer in der Königsstraße 36 a am Marienplatz. Immerhin war er in Münster seiner Freundin Anka aus Anholt näher. Täglich wartete er in einem Café auf ihren verabredeten Anruf. Da er sonst nicht viel zu tun hatte, schrieb er einen dicken Roman-Schinken mit dem Titel »Michael Voormann - ein Menschenschicksal«, ein wirres Seelendrama mit autobiographischen Zügen.

Schade, dass Goebbels‘ Freundin Anka Schluss gemacht hat, mit ihr wäre vielleicht was Gescheiteres aus ihm geworden...

Leider machte Anka bald Schluss und Joseph zog deprimiert nach München.
Bald schloß er sich den National-sozialisten an, lernte Hitler kennen und übernahm die Leitung der Partei in der Hauptstadt Berlin. Nach Hitlers Wahl wurde Joseph Goebbels Propagandaminister.


Als Herrscher über die gesamte deutsche Presse und Kulturlandschaft verfügte er, dass sein Roman »Michael Voormann«, den er als Student in Münster erfolglos Verlagen angeboten hatte, nun in hohen Auflagen gedruckt und als Theaterstoff aufgeführt werden musste.

Im Mai 1945 erschoss sich Goebbels mit seiner Frau, nachdem ein Zahnarzt aus Münster ihre sechs Kinder betäubt hatte, und Magda Goebbels sie vergiftete.

Schade, dass Goebbels‘ Freundin Anka Schluss gemacht hat, mit ihr wäre vielleicht was Gescheiteres aus ihm geworden...

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