Zeitzeichen
Von Carsten Krystofiak, 20.06.2012
kam Schewardnadse nach Münster
Nach der friedlichen Revolution in der DDR begannen die »2+4-Gespräche« über die deutsche Wiedervereinigung. 2 + 4 hieß: Die 2 Staaten des geteilten Deutschlands, BRD und DDR, sowie die 4 Siegermächte des II. Weltkriegs.
Mitte Juni traten diese Gespräche in eine entscheidende Phase. Nach zwei Treffen in Kopenhagen und Brest hatten der sowjetische Außenminister Schewardnadse und der deutsche Außenminister Genscher ein weiteres Treffen verabredet. Genschers Berater schlugen einen Ort im Rhein-Main-Gebiet vor, doch Genscher wollte wegen des symbolträchtigen Westfälischen Friedens nach Münster.
Von den Münsteranern wurde Schewardnadse als Vertreter der neuen »Glasnost«-Politik von Sowjetchef Gorbatschow mit Sympathie überschüttet. Als ehemaliger Präsident einer kommunistischen Provinz konnte Schewardnadse zwischen inszeniertem und spontanem Jubel unterscheiden. So zeigte er sich von Münster tief beeindruckt.
Die Atmosphäre beeinflusste die Verhandlungen sehr positiv. Schewardnadse wich in Münster von seiner früheren Forderung einer Übergangsperiode bis zur Wiedervereinigung ab. Auch seinen Widerstand gegen eine NATO-Mitgliedschaft des wiedervereinigten Deutschlands gab der westfalophile Georgier plötzlich auf. Genscher flog von Münster sofort zu einem Treffen der übrigen Außenminister, um die Trumpfkarte gleich auszuspielen. Drei Monate später feierten 50.000 Münsteraner auf dem Prinzipalmarkt die Wiedervereinigung.
Seit dem Film »Der bewegte Mann« tragen etliche Wellensittiche den Namen des sowjetischen Außenministers »Schewardnadse«
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