Zeitzeichen
Von Carsten Krystofiak, 21.11.2012
In dieser Woche vor 58 Jahren...
wurden die Paohlbürger gegründet.
Willy Eichel ist Karnevals-Aktivist der ersten Stunde. Gleich nach dem Krieg mischte er schon bei mehreren münsteraner Karnevalsvereinen mit. Doch dann gründete er seinen eigenen Club. Es sollte der größte, exklusivste und vornehmste Verein werden! Mit einer für 1954 exorbitanten Aufnahmegebühr von 30 DM und einem hohen Monatsbeitrag.
Die Sache klappte. Die Berufsbezeichnungen der ersten Mitglieder lauten Autohändler, Baustoffhändler, Fabrikant, Bankdirektor, Druckereibesitzer, Großhändler, Werksinhaber.
Einen Namen hatte man auch schon: Paohlbürger.
Zu den Sitzungen der Paohlbürger kamen Tausende in die Halle Münsterland, das Fernsehen übertrug die Galas. Dann Eichels beste Idee: Das »Tennengericht« lud prominente »Angeklagte« zu einer humorigen Gerichtsverhandlung ein. Oberbürgermeister und Regierungspräsident übernahmen den Vorsitz. Als Angeklagte kamen Bundestagsabgeordnete, Ministerpräsidenten und Bundesminister. Wirtschaft und Politik trafen sich auf dem Gutshof der Paohlbürger.
Mitte der 1980er beherrschte das Netzwerk das lokale Geschehen. In der Chronik heißt es: »Wegen einer anonymen Anzeige beim Finanzamt sollte das schriftliche Vereinsgut beschlagnahmt werden. Nur durch ganz intensiven Einsatz des Oberbürgermeisters konnte diese Ungeheuerlichkeit abgewendet werden.«
Doch mit dem Aufstieg des grünen Bürgertums schwand der Einfluss. Heute herrschen andere Netzwerke; die Paohlbürger sind nur noch ein Karnevalsverein.
Genscher, Geißler, Vogel, Rau – alle Politiker der 80er kamen zu den Paohlbürgern. Hier Kanzler Kohls Gattin Hannelore.
NEU IM BUCHHANDEL ab 30.09.: Carsten Krystofiak: Mord im Münsterland – 20 True-Crime-Stories (münstermitte Medienverlag)