Von Carsten Krystofiak, 12.02.2014

In dieser Woche vor 124 Jahren...

protestierten die Delstruper

Vor 1900 endete die Wolbecker Straße am Ring. Dahinter war die Zivilisation zuende. Am Kanal lag die Kolonie Werse-Delstrup, ein verrufenes Nest. Die Kolonie war ohne Bauplan und Kanalisation entstanden. Hier lebten Scherenschleifer, Orgeldreher und Hausierer. Laut Polizei ein »vortrefflicher Schlupfwinkel des Verbrechertums und der Unsittlichkeit«.

Darum weigerte sich die Stadt Münster, die Favela einzugemeinden. Doch die Bewohner der Kolonie protestierten. Sie wandten sich schriftlich an die Bezirksregierung und beklagten, dass Münsters Lokalpresse sie zu Unrecht verunglimpfen und diskriminieren würde. In Wahrheit sei die Mehrheit der Werse-Delstruper anständig.

Münsters Stadtrat hatte keinen Bock, die Bunken aus der Werse-Favela auf seine Kosten einzugemeinden.

Der Bischof schlug sich auf ihre Seite und argumentierte, die Stadt habe den Delstrupern gegenüber eine Fürsorgepflicht. Armut, Kriminalität und schlechte Hygiene ließen sich nur durch Eingemeindung bessern.


Schließlich folgte auch Preußens König Wilhelm I. dieser Linie und bewilligte einen Erlass, der die Stadtgrenze kurzerhand bis zur Mondstraße verschob. Begründung: Der Landgemeinde Lamberti fehlt das Geld für Straßenbau, Beleuchtung und Polizei. Damit gehörte die wilde Kolonie endgültig zu Münster. Zentrum des neuen Stadtteils war die Herz-Jesu-Kirche, die damals noch ziemlich einsam stand.

Nach 1903 entwickelte sich das neue Quartier durch den Ausbau des Hafens sehr schnell zum Arbeiterviertel, für das sich der Name »Klein-Muffi« in Münster einbürgerte.

Münsters Stadtrat hatte keinen Bock, die Bunken aus der Werse-Favela auf seine Kosten einzugemeinden.

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