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The Honest John Blog
Wir feiern den 100. Geburtstag von Art Pepper (1925–1982)
Straight Life: The Story Of Art Pepper
Diesen Monat schreibe ich über jemanden, dessen Musikichwahrscheinlichöftergehörthabealsdie jedes anderen mir bekannten Musikers. Diese Be- merkung überrascht Sie wahrscheinlich, und ich war es auch, als sie mir schließlich klar wurde. Ich würde sagen, die meisten von Ihnen haben wahr- scheinlich noch nie von ihm gehört, und deshalb ist es für mich ein zusätzlicher Anreiz, seinen Na- men bekannt zu machen. Ich werde nicht auf die übliche Weise über sein Leben und seine Bandkol- legen sprechen, und das hat einen Grund. Art Pep- per verfasste zusammen mit seiner Frau Laurie eines der erschütterndsten Jazz-Memoiren aller Zeiten. Es ist eine Autobiografie ohne Tabus und auch über 45 Jahre nach ihrer Veröffentlichung noch immer eine literarische Leistung. Straight Life: The Story of Art Pepper wurde 1979 von Schir- mer Books veröffentlicht. Das Buch wurde 1994 in aktualisierter Form neu aufgelegt. Diese Version enthielt ein Nachwort, das Peppers Leben zwi- schen 1979 und seinem Tod 1982 detailliert be- schrieb. Art Pepper war offensichtlich kein Schrift- steller, daher erklärte er sich 1972 bereit, seiner Frau seine Lebensgeschichte zu erzählen. Wie durch ein Wunder schrieb sie in den folgenden sieben Jahren alles auf, was er ihr erzählte. Sie nutzte alle damals verfügbaren Aufnahmemetho- den, um das Material, das er ihr gab, auf Band auf- zunehmen, zu transkribieren, erneut zu intervie- wen und zu bearbeiten. Sie interviewte auch sei- ne Verwandten, Bekannten und Freunde, um die oft widersprüchlichen Berichte zusammenzutra- gen und zu präsentieren. Dieses Buch ist haupt- sächlich eine Beschreibung von Arts Leben, und er hält sich nicht zurück, seine Geschichte zu er- zählen.
Zu Beginn seiner Memoiren „Straight Life“ er- zählt Pepper eine Geschichte aus seiner Zeit in der
US-Armee wäh-
rend des Zweiten
Weltkriegs und
seiner Stationie-
rung in London.
Eines Tages, als er
etwas freie Zeit
hatte, traf er auf
der Straße am Pic-
cadillyCircuseine
junge Frau. Sie
verbrachten den
Tag damit, Bier zu
trinken und durch
die Stadt zu strei-
fen, gelegentlich knutschten, küssten und rieben sich aneinander. Als es dunkel wurde, verlangte Art Sex. Die Frau wehrte sich. Also schleppte er sie auf einen dunklen Friedhof und vergewaltigte sie. Das Wort Vergewaltigung fällt nicht, aber es ist klar, was geschah. Ironischerweise zog sich Pepper bei dieser Begegnung eine Geschlechts- krankheit zu. Ein paar Seiten später im Buch, nach- dem Pepper in seine Heimatstadt Los Angeles zurückgekehrt ist, beschreibt er einen so starken sexuellen Zwang, dass er zum Spanner wird, Lö- cher in die Wände von Hotelzimmern bohrt, um die Gäste in den Nachbarzimmern beim Sex aus- zuspionieren, und in seiner Nachbarschaft her- umschleicht, um durch Fenster Frauen beim Du- schen zu beobachten, während er masturbiert. Dieses Buch wurde 1979 veröffentlicht. Es ist gut möglich, dass es heute, in der „MeToo“-Ära, nie einen Verlag gefunden hätte. Hätte es das getan, würde wahrscheinlich kein Nachtclub oder Kon- zertsaal Art Pepper buchen und kein Plattenlabel ihn unter Vertrag nehmen. Tatsächlich bin ich mir hundertprozentig sicher, dass er als Künstler über- haupt nicht von den USA an einen anderen Ort der Welt fliegen könnte. Was das Buch damals so schockierend machte, ist es auch heute noch. Un- verfälschte,reineWahrheitsfindungohneBeschö- nigung und ohne viel Selbstanalyse. Was Sie se- hen, ist das, was Sie bekommen. Das Erlebnis wird noch viel intensiver, wenn Sie Peppers Spielstil kennen – seine Stimme auf dem Horn – die pure