Von Stefan Bergmann, 10.07.2024

Es war eine handfeste Überraschung ...

... was der Künstler Hans-Peter Feldmann da im Sommer 2007 unter dem Domplatz erschuf: Eine öffentliche Toilette, die wie die sanitären Gemächer eines Barockschlosses daherkamen. Der Vertreter der demokratischen Konzeptkunst wollte, dass es allen gut geht beim Gang zum Geschäft. Ein Klo für alle Sinne, sozusagen.

Eher sinnlos ist dagegen die aktuelle Aktion der Stadt Münster, denn sie macht das genaue Gegenteil. Sie reißt gerade öffentliche Toilettenhäuschen ab, weil sie „abgängig“ seien, wie es heißt. Unter anderem zurzeit am Berliner Platz und an der Neubrückenstraße. Weitere folgen.

Die stillen Örtchen an belebten Stellen hatte die Stadt quasi kostenlos vom Unternehmen Wall bekommen. Der Deal: Wall baut neue Bushäuschen (also die derzeit aktuellen, weinroten) und Toiletten, dafür darf es die dadurch entstehenden Werbeflächen nutzen und damit Geld verdienen. Ein gutes Geschäft mit dem Geschäft, für beide Seiten.

Die Frage ist nur: Wo erleichtert sich der Tages-Touri oder auch der Pahlbürger, bis es neue öffentliche Verrichtungsanstalten gibt? Denn die Stadt geht den schlauen Weg: Erst abreißen, dann nachdenken, dann planen, dann bauen. Angesichts deutscher Bürokratie könnte man sich vor Angst in die Hose machen, denn die Stadt hat das Konzept, dass jetzt ein Konzept erstellt wird, wo künftig öffentliche Pissoirs und grundständige Water Closets neu entstehen sollen. Wo drückt die Blase am meisten? Wo sind die Wildpinkler (bäh!) am aktivsten? Und dann die große Frage: Braucht man überhaupt noch getrennte Toiletten nach Geschlecht, und wenn ja: Wieviele? Ist ja alles im Fluss, glücklicherweise.

Und dann wird in Müns­ter-Manier wohl erstmal am Konzept rumgenörgelt, die Grünen sind dagegen, die CDU dafür. Die anderen Parteien zerstreiten sich. Es wird nach der typischen Münster-Luxus-Lösung gesucht, so lange, bis das das einzelne Häuschen dann sechsstellige Summen kostet. Dann wird ausgeschrieben, dann abgestimmt, und dann irgendwann gebaut. Alles Pipifax, also.

Die Bürokratie gängelt nicht nur Bürger, sondern auch sich selbst in solchen Prozessen. Natürlich hätte man erst planen können, und dann abreißen und dann schnell neu bauen. Aber in so konsequenter Planung - siehe Südbad - sind Bürokraten nicht wirklich gut.

Ach so, einer meiner ehemaligen Chefs in Münster hat mir mal das Wort Bürokratie erklärt. Es kommt von bureau, französisch für Schreibtisch, und Kratern, griechisch für herrschen. Es ist also die Herrschaft der Schreibtische. Noch Fragen? – Stephan Bergmann

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