Von Ruprecht Polenz, 03.02.2021

Na dann nehmen wir mal an, Münster wäre eine Insel in der Nordsee

302,9 km2 groß, von Gelmer bis Amelsbüren und von Roxel bis Wolbeck, meerumschlungen wie Helgoland, nur größer. Welche Verkehrspolitik würden wir für diese Nordsee-Insel Münster machen?

Keine Autos natürlich. Höchstens ein paar Krankenwagen. Die Feuerwehr dürfte auch motorisiert sein, vielleicht auch noch die Polizei. Von den Außenstadtteilen führe man im 10-Minuten-Takt mit E-Bussen in die Innenstadt. Im übrigen sind Lasten- und sonstige Fahrräder mit und ohne Elektromotor die einzigen Verkehrsmittel, mit denen man schneller vorwärts käme, als zu Fuß. Die Parkhäuser könnten zum Abstellen der Fahrräder genutzt werden oder zu Geschäfts- und Wohnraum umgebaut werden.

So ähnlich soll Münster in fünf Jahren aussehen, wenn es nach den Grünen geht. Sie werben mit der besseren Aufenthaltsqualität, sauberer Luft und weniger Lärm für ihre Idee von der „autofreien Innenstadt“. Außerdem seien weniger Autos auch gut für‘s Klima, was jedenfalls für Verbrennungsmotoren ja auch stimmt.

Nur: unsere Stadt ist keine Insel. 100.000 Menschen kommen täglich von außerhalb, um hier zu arbeiten. 43.000 Münsteraner*innen fahren täglich zu ihrem Arbeitsplatz ins Münsterland und in das nördliche Ruhrgebiet. Morgens hin, abends zurück.

Zum Einkaufen kommen Menschen aus mehr als hundert Kilometer Entfernung von der niederländischen Grenze, aus dem Emsland, dem nördlichen Ruhrgebiet und Ostwestfalen. Es sind die 1,5 bis 2 Mio Menschen, die im Einzugsbereich von Münster wohnen, von denen der Facheinzelhandel in Münster vor allen Dingen lebt. Viele der in Münster angesiedelten Behörden, Unternehmen und Dienstleister arbeiten für Menschen aus dem ganzen Regierungsbezirk und darüber hinaus.

Die sollen halt alle mit Bussen und Bahnen kommen, sagen die Grünen. Der ÖPNV müsse eben entsprechend ausgebaut werden. Das heißt aber mit anderen Worten: gegenwärtig ist der ÖPNV noch nicht so ausgebaut, als dass man für Münster ein Nordsee-Insel-Verkehrskonzept realisieren könnte.

Es sind die Aufgaben, die eine (Innen)stadt erfüllen muss, die den Verkehr erzeugen. Deshalb muss man erst über die Innenstadt-Aufgaben sprechen: Arbeiten, Einkaufen, sich Treffen, Wohnen, Ausgehen ... Verkehr ist kein Selbstzweck. Kaum jemand fährt ziellos durch die Gegend.

Einige dieser innerstädtischen Funktionen werden durch Autoverkehr beeinträchtigt. Verkehrslärm beeinträchtigt das Wohnen. Die Aufenthaltsqualität für Fußgänger ist höher in einer Straße, in der keine Autos fahren. Deshalb ist das Ziel „Weniger Autos in der Innenstadt“ richtig.

Aber eins nach dem anderen. Je leistungsfähiger der ÖPNV, desto zumutbarer ist der Verzicht auf‘s Auto. Schritt für Schritt. - Ruprecht Polenz

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