Von Günter, 07.02.2018

WE OUT HERE/ NIGHTMARES ON WAX/ GORDON RAPHAEL/ NJETNJET9/ WILD CHILD/ GoGo PENGUIN

Zunächst einmal eine gute Nachricht. Der in der vergangenen Woche gelobte Sampler aus dem Hause Brownswood wird nicht nur als ‚heisse Luft‘ in Umlauf gebracht. Mitte Februar wird es ihn sowohl als CD als auch als LP in physischer Form geben. Der heisst weiterhin „WE OUT HERE“ und enthält auf 9 Tracks die mehr Jazz orientierte Seite der Marke.

Beinahe unbemerkt an mir vorbei geschafft hat es das neue Werk von den NIGHTMARES ON WAX. Ihre grosse Zeit hatten die um die Jahrtausendwende, ihr damaliges „Carboot Soul“ zählt noch heute zu den Sternen am Downbeat Firmament. Zugegeben, diesen Standard erreicht „Shape the Future“ nicht ganz, ist aber wieder deutlich zurück zu den Anfängen. Dicke Bass-Grooves bestimmen das Bild, Dub Effekte und Offbeats nicht weit vom allerersten Album. Soweit mein Eindruck nach 2 Runden, bestimmt wächst die noch im weiteren Gebrauch.

Von Grunge bis Glam

Als Produzent hat er schon einige Meriten gesammelt (Strokes, Regina Spektor, Damon Albarn..), jetzt widmet er sich seinem eigentlichen Ziel: Seine eigene Musik zu veröffentlichen. Dieser GORDON RAPHAEL ist offensichtlich ein bunter Hund. Auf Fotos sieht er aus, wie seine Musik klingt. Knietief in den mittleren 70ern, Popsongs mit ordentlich bratender Gitarre und nicht ungewöhnlichen, aber clever angewandten harmonischen und rhythmischen Winkelzügen. „Sleep on the Radio“ beginnt wie ein typisches Grunge-Album (er stammt aus Seattle) der frühen 80er, wandelt sich aber zügig zu einem geschickt gestalteten Raubzug durch die eben genannte Zeit, hat keine Angst vor schrägen Sounds und schreckt auch vor einem straighten Rock-Boogie nicht zurück. Selbst die Produktion klingt nicht nach ‚muss auch als mp3 noch erkennbar sein‘, sondern nach den Instrumenten, die verwendet wurden.


Das tun NJETNJET9 aus Finnland ebenso. Die 9 steht wohl für die Anzahl Bandmitglieder, Rhythmusgruppe plus 5 Bläser. Mit „Dark Soul“ liefern sie ein natürlich völlig aus der Zeit gefallenes, aber exzellentes Rock-Jazz Album für eine kleine Big Band ab. Geschickt gestaffelte Bläsereinsätze, Solo-Ausflüge, Riffs, die auch von einem Rockalbum stammen könnten, diese 9 haben sich in der Welt der Musik umgesehen und ordentlich inspirieren lassen. Trotz klarer Verbundenheit zum Jazz kommt der Groove auch nicht zu kurz. Als swingender Untergrund, mit viel Soul und auch klarer Kante.

Gelungener 4. Anlauf

Eine sehr eigenständige Mischung aus Folk mit leicht alternativem Charakter und ganz viel Gefühl für wohlig fliessende Songs zeigen WILD CHILD auf ihrem neuen (4.) Album „Expectations“. Um die Bandbreite des eigenen Materials möglichst optimal umzusetzen, arbeiteten sie gleich mit mehreren Produzenten an unterschiedlichsten Orten. Das bekommt den Songs wirklich gut. Den wechselnden Gesang auch mal gleichzeitig in 2 Stimmen klingen zu lassen, die Songs mal mit mehr Druck, mal mit mehr Zerbrechlichkeit zu gestalten, war offenbar die richtige Methode. Mich erinnern sie an EG & ALICE (falls die überhaupt noch jemand kennt), lediglich mit weit weniger Anspruch auf Radio-Tauglichkeit.


Eine Klasse für sich

Was kann ich hier über GOGO PENGUIN schreiben, das nicht längst an anderer, meist kompetenterer Stelle schon gesagt worden wäre? Auch der „A Humdrum Star“ enthält wieder diese einzigartige Mischung aus elektro-akustisch erzeugter Musik eines Trios, das die Horizonte von Pop, Jazz und zeitgenössischer Musik längst verschmolzen hat. Fliessende, lebendige Grooves, darüber schwebende Piano-Ausflüge und ein wirklich unorthodoxes rhythmisches Fundament. Früh im Jahr legen sie die Messlatte für neue Klänge zwischen allen Genres sehr hoch. Ein wahres Vergnügen für das trainierte Ohr.


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Günter Günter

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