Von Günter, 10.10.2018

RON GALLO/ JACKIE BRISTOW/ MICHELS/ LUCKY BROWN & THE S.G.‘s/ WOODS OF BIRNAM/ DHAFER YOUSSEF

2019er No Wave aus Nashville

Warum nicht auch auf dieser Seite mal die 80er wiederaufleben lassen? Aber nicht mit dem Zeugs, das bestenfalls Wehmut oder Nostalgie aufkommen lässt. An sein erstes Album erinnere ich mich nicht, das aktuelle „Stardust Birthday Party“ von RON GALLO steckt für mich bis zum Hals in früh 80er New York No Wave, obwohl er angeblich aus Nashville stammt. Schräge Akkorde, laute Gitarren, beinahe aggressiver Gesang, all das was dort seinerzeit die Oberfläche erreichte, sich dabei jedoch deutlich vom Mainstream abgrenzen wollte, all das gibt es hier. In 13 selbst gebastelten Tracks verarbeitet Ron sein bisheriges Leben. Klingt dabei keineswegs nachgemacht, vor rund 40 Jahren konnte er noch nicht dabei sein, sondern ausgesprochen dynamisch, frisch und engagiert. Sound, der anecken soll!


Ganz still und beschaulich dagegen klingt die bereits 4. Platte der Neuseeländerin JACKIE BRISTOW. „Shot of Gold“ ist ein piekfeines Singer/Songwriter Album geworden. Fast ausschliesslich mit akustischem Instrumentarium in kleiner Besetzung eingespielt, leben ihre Lieder vom nuancierten Aufbau und Jackies Gesang. Die klare, kräftige Stimme würde einen Song auch ohne jede Begleitung tragen. Mittlerweile in Amerika beheimatet, ist es kein Wunder, dass sie sich bereits mit vielen grossen Namen die Bühne teilte.

Eigentlich ein Urgestein der deutschsprachigen Rockszene, blieb Wolfgang MICHELS dem breiten Publikum eher unbekannt. „ Erntezeit“ ist vielleicht als programmatischer Titel für sein diesjähriges Werk gewählt, denn wer schon 1969 Platten aufnahm, ist heute nicht weit vom Ende seines Lebens entfernt. Seinen Geburtsort Delmenhorst haben Element of Crime in die Musik-Statistiken gehievt. Michels schreibt klassische Rocksongs, vergleichbar mit den grossen der Zunft, Kinks, Beatles, Stones, Dylan, mit ernst zu nehmenden Texten und konventioneller Instrumentierung. Kein Auto-Tune, keine Beatboxen, gerade heraus von routinierter Band gespielt und überzeugend vorgetragen. Kann m/f, wenn auch spät, für sich entdecken.

Deep Funk/Soul Jazz? Ungewöhnlich!

Für diese habe ich gar keine Schublade: LUCKY BROWN & THE S.G.‘s „Mesquite Suite“. Die Crew von TRAMP Records findet nicht nur immer wieder und in grosser Zahl Funk und Soul Perlen der Vergangenheit, sie produzieren auch neuen Stoff. Das 3. Werk von LUCKY (die andern beiden kenne ich nicht) klingt für Jahrgang 2018 äusserst ungewöhnlich. Ganz sicher analog produziert und instrumental, überrascht es nicht nur mit ungewöhnlichem Klang, sondern ebenso mit ungewöhnlichen Grooves und Arrangements. Irgendwo zwischen Soul-Jazz mit deutlichen Afro- und Latin-Elementen bewegen sich die Musiker in meist gemässigtem Tempo in Arrangements, die mal der Rhythmusgruppe mal den Bläsern das Spotlight zukommen lässt. Entspannte Afro Beats nach einem New Orleans Intro oder schwebender Groove, wie weiland Mulatu Astatke. Ein wirkliches Unikat im Gegenwärtigen Musik Universum.


Noch was Ungewöhnliches aus BRD. Die WOODS OF BIRNAM legen mit „Grace“ ihren 3. Longplayer vor. Tiefschürfende persönliche Texte zu einem Sound, der internationale Vergleiche nicht scheuen muss. In ‚Standard‘ Besetzung (Git., Bass, Drums, Keyboards, Gesang) durchleuchten sie ihr Universum, schaffen abwechslungsreiche Songs mit eingängigen Melodien und Rhythmen.

Feinfühliges Miteinander

Zum Schluss noch eine CD für die Reise im eigenen Kopf. Der Oud-Meister DHAFER YOUSSEF spielt mit seinen Mitstreitern Zakir Hussain an den Tablas, Husnu Senlendirici mit Klarinette und Eivind Aarset Gitarre die „Sounds of Mirrors“. Auf indischer Musik basierend erinnern diese 12 Improvisationen (Meditationen) an die ambienten Klangwelten von John Hassell, kommen jedoch ganz ohne elektronische Hilfsmittel aus. Arabische Farbmuster, mediterrane Sounds und das feinfühlige Miteinander machen aus dieser musikalischen Begegnung eine Fahrkarte in persönliche Fantasie-Welten.


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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