Von Günter, 09.01.2019

DAVID ALLRED/ DOTSCHY REINHARDT/ NEW MASTERSOUNDS/ AMIGO THE DEVIL/ QUINTETO ASTOR PIAZZOLLA/ SUNNA GUNNLAUGS

Da sind wir wieder. Die Feier- und Freizeit-Orgie des Jahresendes hinter uns gebracht und dann: Same Procedure as every Year.

Den Anfang macht in diesem Jahr der Multi-Instrumentalist DAVID ALLRED. Sein „The Transition“ ist für mich eine der schönsten ‚chillout‘ CDs überhaupt. Ohne Rhythmus-Maschine, sei sie auch noch so dezent eingesetzt, lediglich synthetische Streicher, die Peter Broderick beisteuert. David spielt im Wesentlichen Kontrabass und Trompete und singt bisweilen dazu. Erfindet wunderbar fliessende Melodien, schmückt diese mit lang anhaltenden Tönen zu kleinen Preziosen und scheut dabei auch nicht vor Ähnlichkeiten mit noch lebenden Soundtracks (Twin Peaks) zurück. Smartphone aus, das Vergehen von Zeit geniessen.

Jazz aus Deutschland

Der Name verrät es, sie stammt aus der ‚Musiker-Dynastie‘. DOTSCHY REINHARDT zupft jedoch nicht die Gitarre, sondern sie singt. Auf „Chaplin’s Secret“ huldigt sie der Musik, die ihr Leben beeinflusst hat. In 15 Tracks, davon 8 selbst verfassten, verarbeitet sie Ragtime, Hot Club, Swing, Brasil, Balladen, singt in Englisch und Romani und bewegt sich dabei mit ihrer klaren, kräftigen Stimme souverän auf allen Untergründen. Auf die absolut kompetent besetzte Band kann sie dabei in allen Lagen bauen. Chaplin’s ‚Swing little Girl‘ ist in ihrer Version diese besondere Erwähnung wert.


Immer eine Erwähnung wert ist ein neues Werk der NEW MASTERSOUNDS. Auch wenn sie schon seit gut 20 Jahren mit 16 Platten im Gepäck das Wesentliche schon längst gespielt haben. Diese britischen Veteranen des Funk- und Souljazz legen mit „The Nashville Session 2“ wieder ein fulminantes Set vor. Komplett instrumental, live eingespielt und ohne jede Nachbearbeitung auf Tonträger festgehalten, zeigen die 4 Herren, dass jahrelange Routine bei ihnen nicht zu Langeweile, sondern zu hervorragenden instrumentalen Fähigkeiten geführt hat. Wesentlicher Unterschied zu den Vorgängern, statt der Hammond spielt Joe Tatton auf diversen Keyboards/Pianos und einem analogen Synthi.

AMIGO THE DEVIL ist ja schon kein gefälliger Künstlername. Entsprechend düstere menschliche Inhalte finden sich auf „Everything is fine“. Mal in sanfter Singer/Songwriter-Manier arrangiert, mit Banjo allein oder mit kräftiger rockender Band. Ebenfalls live im Studio direkt auf Band festgehalten schwankt sein Vortrag zwischen wütender Klage, der Altersweisheit eines J. Cash und der Melodie-Verliebtheit von Simon und Garfunkel. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber dann umso besser.

Jazz aus Argentinien

Die Frage ist: Richtet sich „Revolucionario“ eher an Jazz affine Tango-Freunde oder umgekehrt? Das QUINTETO ASTOR PIAZZOLLA, von seiner Frau Laura ins Leben gerufen, besteht aus 5 virtuosen Solisten, die in der Lage sind, Piazzollas ‚revolutionären‘ Ansatz zur Erneuerung des Tangos nicht nur adäquat zu spielen, sondern auch weiter zu führen. So findet sich auf dieser CD eher weniger Musik zur tänzerischen Umsetzung, als vielmehr jazzige Interpretation des Themas, mit rhythmischen Tücken und instrumentaler Verve. Nicht konservativ und gefällig, sondern forsch und fordernd.


Jazz aus Island

Eine wunderbar ausgewogene Jazz-Trio plus Trompeter CD ist „Ancestry“ der isländischen Pianistin SUNNA GUNNLAUGS. Entspannte, flüssige Tonfolgen, melodisch aber ohne Kitsch und dazu auf einigen Tracks der melancholische Trompetenton von Verneri Pohjola verbreiten Atmosphäre. Darunter der Kontrabass mit seinen eigenen Melodien und ein Drummer, der das Ganze energisch, jedoch sehr dezent zusammenhält. George Michael’s ‚Wake me up before you go-go‘ habe ich mir in solch einer inspirierten Version nicht vorstellen können.


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