Ohrenschmauch
Von Günter, 29.05.2019
MAVIS STAPLES/ DADDY LONG LEGS/ MUITO KABALLA/ LYDIA PERSAUD/ TORI SPARKS/ ROBAG WRUHME
Gleich zu Beginn die, die mir am meisten am Herzen liegt. MAVIS STAPLES wird bald 80 Jahre alt, hört aber nicht auf auffällige Platten zu machen. Erst kürzlich gab es ein Live Album, jetzt folgt ein neues Werk aus dem Studio. Komplett geschrieben und produziert von Ben Harper, quasi Live eingespielt mit ihrer vertrauten Live Band. 11 weitere Songs von einer Stimme des Jahrhunderts, die jeden Song zu ihrem absolut eigenen macht. Die abgestripten Arrangements auf „We get by“, nur ihr Quartett plus Background Stimmen und Ben als Duett Partner auf dem Titel Song, lassen ihr den Raum für die nächste erstaunliche Performance. Harpers Blues getränkte, eher spröde Song Konstrukte scheinen schon immer auf eine solche Interpretin gewartet zu haben. Blues, Rock, Gospel, hier vereint sich, was anscheinend schon immer zusammen gehört hat.
Mit rumpelndem Blues und Boogie ziehen DADDY LONG LEGS ihre Kreise. Sie scheren sich nicht um saubere Produktion oder sinnhafte Texte, ihr Mix aus Hillbilly, Rock, Blues und Lautstärke zieht sich in unterschiedlicher Intensität durch die 12 Tracks auf „Lowdown Ways“. Auch wenn die Songs eher einfach gestrickt sind, die drei Herren verströmen selbst bei leiser Wiedergabe eine unglaubliche Power, mit der sie vermutlich sogar ein Altersheim zur Revolutions-Schmiede umwandeln könnten.
Aufruhr führt MUITO KABALLA schon fast in seinem Namen. Dabei macht er fast alles allein, Gitarren, Bass, Perkussion, Loops, Flöte, nur die Bläser nicht. Und liefert auf „Everything is broke“ astreinen Afro Beat und Highlife gepaart mit Elementen aus Street Funk, Hip Hop, Salsa und allem, was den Rhythmus-Fluss anreichert. Singt selbst, aber wenig, inszeniert die 8 Songs mehr wie spontane Jams, kreuzt dabei nicht unabsichtlich die Spuren von Fela oder Ebo Taylor oder lässt sich zu jazzigen Improvisationen hinreissen. Für mich das Erstaunlichste: Dieser Mann lebt und arbeitet in Köln, wo auch diese Erstlingswerk produziert wurde.
Jetzt mal etwas runter vom Gas mit einer wunderbar zurückhaltenden Sängerinnen Platte. LYDIA PERSAUD singt Soul, unverkennbar, ihre Songs und Arrangements klingen dabei eher nach unabhängig (Independent) produzierter Singer/Songwriter Schule. Entsprechend arbeitet sie mit ‚richtiger‘ Band, dezenten Streichern und ersetzt die übliche grosse Kulisse des zeitgenössischen Soul-Sounds durch Persönlichkeit, Inhalt und Authentizität. Auf „Let me show you“ gibt es nicht ‚den‘ Radiohit, dafür 11 handwerklich stimmig umgesetzte Geschichten aus ihrem Leben, nachvollziehbar formuliert und absolut glaubhaft.
Auch Sängerin, auch vom amerikanischen Kontinent, aber offenbar in Spanien beheimatet. TORI SPARKS umgibt sich für ihre Live Doppel CD „Wait no more“ mit spanischen Musikern und mischt ihr Repertoire aus eigenen Kompositionen, Cover-Versionen englisch sprachiger Kollegen und Songs aus dem spanischen Sprachraum. Besonders interessant ist dabei neben ihrem ausdrucksstarken Gesang das Zusammenspiel des elektrifizierten Gitarristen mit dem akustischen Flamenco Mann, die ihrer sehr eigenständigen Neu-Interpretationen wohlbekannter Songs einen speziellen Touch verleihen. Besonders erwähnenswert, wie schon auf dem vorhergehenden Studio Album, ihre Flamenco Adaption von Zeppelins ‚Kashmir‘. Geht auch so!
Hier kommt der einheimische Alien ROBAG WRUHME mit seiner sehr speziellen Mischung aus Sounds, Zuständen und Vorstellungen. Fast chillige Beats, die immer wieder unterbrochen werden, himmlisch schöne Melodie-Stückchen, die sanft über den rhythmischen Sprengseln zerbröselt und neu formiert werden, kein Gesang, der einen tieferen Sinn vortäuschen soll, sondern leichte, fast schwebende Klänge, die leider nach 11 Titeln schon vorbei sind. Diszipliniert verspielt, Melodie verliebt ohne Kitsch, kalkuliertes Experiment und einfach wohl und warm klingend obwohl ausschliesslich synthetisch zusammengesetzt. Und ganz bestimmt nicht einfach einfach! „Venq Tolep“hören und verzaubern lassen.