Von Günter, 26.02.2020

BLACKBIRD & CROW/ LINA_RAUL REFREE/ JEFF CASCARO/ OZMA/ PAT METHENY/ BAI KAMARA Jr./ MOVEMENTS Vol. 10

Langsam schwillt die Frühjahrs-Veröffentlichungswelle an, vermutlich nicht genug Platz für alle Kandidaten, doch nächste Woche geht es ja weiter.

BLACKBIRD & CROW mischen ihre irischen Wurzeln mit Zutaten aus u.a. Blues und Folk, er zupft die Saiten, sie singt. Laut und wild oder leise und zart, bisweilen von Trommeln unterstützt, mit eher düsteren Texten auch hier nicht ganz weit weg von der Tradition, jedoch auf „Ailm“ ganz ungewohnt und frisch dargeboten.

Noch ungewöhnlicher im Umgang mit der Tradition kümmern sich LINA_RAUL REFREE um Fado. Ohne Gitarre. Sie, Lina singt ausgesuchte Titel aus dem Repertoire von Amalia Rodrigues, er, Raul versieht diese mit einem komplett anderen Hintergrund. Elektronisch erzeugte Stimmungen (keine Beats!) und ruhige Tonfolgen auf dem Klavier lassen dem exzellenten Gesang seiner Partnerin den ihm gebührenden Raum, berührend emotional. Öffnet dem Fado mindestens eine neue Tür.

Nach 4 Studio-Alben mit fetter Produktion zeigt sich Deutschlands führender Soul-Jazz Sänger von seiner wohl besten Seite. „Pure“, Live aufgenommen mit seiner hervorragend eingespielten Band, zeigt JEFF CASCARO nicht nur als beseelten Crooner, der durch ein gut ausgewogenes Programm zwischen Blues, Jazz und Song führt, sondern neben seinen drei solistisch austrainierten Unterstützern auch als mehr als akzeptablen Virtuosen auf der Trompete. Fast 80 Minuten intime Club-Atmosphäre auf 12 CM Durchmesser.

Electric Jazz 2020

Ganz kurzfristig hat sich das französische Quintett OZMA auf diese Seite geschafft. Sie haben für ihr „Hyperlapse“ eine sehr eigene Version von elektrischem Jazz erschaffen. 2 Keyboarder, die jeder auch als Bläser (Sax und Posaune) eingesetzt werden plus Bass, Git., Drums finden einen zeitgemässen Rock-Jazz Ansatz, der zwar in der Vergangenheit fusst, aber in Sound, Arrangement und Ausführung absolut im Hier und Jetzt stattfindet. Ob im schnellen Tempo mit zappa-esken Riffs oder in lyrischer Feinarbeit widmen sie jeden der 10 Titel einem Ort, den sie auf Tour im letzten Jahr besucht haben und erzeugen mit gekonntem Handwerk Stimmungen, besser die passenden Bilder, im Kopf der HörerInnen.


PAT METHENY foppt die Jazz-Polizei mit einem neuen Werk. Auch wenn er seit seinen Erfolgsalben in den 80ern verschiedenste andere Ansätze, die ganz klar dem Genre zugerechnet werden müssen, ausprobiert hat. Der Erfolg von früher wird ihm gern nachgetragen. „From this Place“ zeigt ihn mit seiner aktuellen Band erweitert um die Hollywood Studio Symphony einmal mehr als kreativen und experimentierfreudigen Musiker, der wie kaum ein anderer die Balance zwischen Virtuosität und eingängigem Songwriting beherrscht. Mit Gwilym Simcock am Piano, Linda May Han Oh am Bass und Anthony Sanchez am Schlagzeug ist diese Band hochkarätig genug besetzt, um nicht hinter dem gelegentlich wuchtigen Orchester-Sound zu verschwinden. Für mich ein spannender, vielschichtiger Soundtrack zu einem Film, der erst noch gedreht werden muss.

Blues im Alleingang

Erste Assoziationen zu „Salone“, dem aktuellen Album des in Belgien lebenden afrikanischen Gitarristen BAI KAMARA Jr.: Robert Johnson und John Lee Hooker. Mindesten zwischen diesen beiden Blues-Pfeilern bewegt er sich mehr oder weniger im Alleingang mit der Gitarre. Glaubhafte kurze Geschichten aus seinem Leben in Folksong-Nähe, auch mal etwas afrikanisch angehaucht, aber immer im richtigen Tonfall und der richtigen Intensität. Blues, ohne Band, ohne Rock-Riffs, ohne Scheuklappen


Wieder einmal grosser Wurf!

Ein kleines Jubiläum bei den umtriebigen Sound-Findern von Tramp Records. Seit knapp einer Woche sollte das 10. Volume der „MOVEMENTS“-Reihe in den Schallplattenläden stehen. Auf Doppel LP (die ersten 400 Stck. sogar mit extra 7“ Single!), CD und auf den üblichen ‚Musik muss umsonst sein‘ Portalen. Wieder einmal, nicht übertrieben, haben sie eine grosse Handvoll (17 an der Zahl) ausgesprochen rare Tracks zu einem abwechslungsreichen Mix aus leichtem Jazz mit ganz viel Soul, Gesangsorientiertem mit Blues- und Gospel-Wurzeln, Latin-Fever, dezentem Fusswipp-Groove und zwingenden Dancefloor-Fillern zusammen getragen. Auf „MOVEMENTS Vol. 10 erblicken dabei alle Titel zum ersten Mal das Licht der Welt auf CD.


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