Von Günter, 01.07.2020

SOFT MACHINE/ WESTERN CENTURIES/ REVELERS/ HAWKTAIL/ HEMPOLICS/ JPATTERSON

Und noch einmal zu Beginn ein paar (nicht ganz so) prominente alte Herren. Von der SOFT MACHINE (jetzt mit Etheridge, Babbington, John Marshall und Theo Travis) gibt es ein neues Werk. Nicht nur, „Live at the Baked Potato“ versammelt Tracks aus dem Studio Album des vergangenen Jahres, (Hidden Details), ein paar ewige Favoriten und Jams. In 12 Titeln deuten die vier die Jetzt-Zeit auf ihre nach wie vor sehr eigene Weise.

Wenn ich schon mal in Ami-Land bin, gleich noch 3x dort Gewachsenes. Seattle ist nicht gerade die Hochburg der Country Music, dennoch klingen WESTERN CENTURIES sowohl typisch, als auch etwas über den Tellerrand hinaus. Lässige Rocker für die jüngeren Hutträger, sentimentale Balladen mit Pedal Steel für die Ladies, in den Texten durchaus Ernst im Umgang mit den Zuständen im Land aber dem Humor nicht wirklich abgeneigt. 5 Mehrfach-Instrumentalisten mit 3 Gästen, von denen der alte Held Jim Lauderdale auf ‚Heart Broke Syndrom‘ den auffälligsten Part ausfüllt.

Cajun, Swamp Blues, Boogie

Auch die REVELERS klingen typisch amerikanisch. Sie spielen einen flotten Mix aus Cajun, Zydeco, etwas Swamp Blues und ein wenig Pop. Das Akkordeon setzt die Pace, Rhythmus-Gruppe, Fiddle und Saxofon folgen. Das richtige Tempo für die Party, Balladen für die Engtanz-Freunde und Rhythm & Blues für die Pause. Mit „At the End of the River“ versuchen die 6 Herren eindeutig nicht die neue Sensation in der ‚Americana‘-Kiste zu sein, sondern senden ein schmissiges Lebenszeichen einer längst nicht untergegangenen Tradition.


Tradition mal ganz anders

Diese hier wurde zwar in Nashville aufgenommen, ist aber keine Country Platte. HAWKTAIL verbinden mit Kontrabass, Gitarre, Violine und Mandoline die uramerikanische Folklore der Appalachen, die gern als Hillbilly Music diskriminiert wird, mit einer eher jazzigen Musik Auffassung. Das ist nicht der Versuch die Tradition zu revolutionieren, das Quartett findet einfach einen spannenden Ansatz, überlieferte Instrumente und Spielweisen in zeitgemässer, selbst komponierter Form zu präsentieren. “Formations“ hat mit County oder Rock gar nichts zu tun, geht aber zwischendurch ganz schön ab!


Fette Beats, Dub & Roots

Zurück nach Europa. Die HEMPOLICS sind das Projekt von Robin Laybourne, Ton-Ingenieur und Soundtüftler und… Reggae Fan. Entsprechend gibt’s auf „Kiss, Cuddle & Torture Vol. 2“ (Nr. 1 datiert aus 2017) tiefe Bässe, ordentlich Dub-Effekte und dazu gut ausgewählte Sing- und Sprechstimmen. Mal klingt es nach den fetten Produktionen eines Dennis Bovell, dann nach end 70er Roots oder auch mal nach einem feinen Pop-Song. Mit den Off-Beats kennt er sich aus, unterlegt den agilen Toaster mit einem verlangsamten Ska, gleich danach wieder ‚Bass Culture‘ wie bei Linton Kwesi Johnson. Aus dem Bündel CDs, die ich in dieser Woche gehört habe, ragt diese für mich deutlich hervor. Vermutlich liegt das auch an der Hitzewelle..


Ähnliches Genre, andere Herangehensweise: JPATTERSON, junger Trompeter aus Halle an der Saale, unterlegt seine Melodien und Gesang mit elektronischen Beats, die gelegentlich leicht sphärisch und ange-dubbt, oder auch leichtfüssig Techno angedeutet daherkommen. Detailverliebt ergänzt das Keyboard den Trompetenlauf, wird die rhythmische Begleitung immer dichter um in einem grossen Crescendo unterzugehen. Auf „Moods“ findet er seine eigene musikalische Sprache, die ihn offensichtlich an fantastische Plätze, in ungewöhnliche Umgebungen und ganz neue Abenteuer bringt. Reserviert in der Produktion, positiv in der Ausstrahlung.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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