Von Günter, 08.07.2020

NEW LANDSCAPES/ SIMONE KOPMAJER/ SMOOVE & TURRELL/ BLUNDETTO/ WALDECK

Alt und neu mal ganz anders

Ein Kammermusik-Quartett mit ungewöhnlicher Instrumentierung macht auf jeden Fall neugierig. Mit Violine, Laute oder Oud, Akkordeon und Bass-Klarinette lassen sich erstaunliche musikalische Preziosen abbilden. So anders als die gewählten Klangkörper ist bei den NEW LANDSCAPES auch die Titelauswahl. Neben eigenen Kompositionen finden sich Werke von Ornette Coleman, John Cage und Sun Ra. Alle dargeboten in einer Mischung aus folkloristischen Klängen, die in Harmonie und Rhythmus an mittelalterliche Musizierformen erinnern und zeitgenössischer Instrumental- und Komponier-Kunst. So erforschen sie auf „Menhir“ neue Klangfarben, zu denen auf der Hälfte der Titel der Gast mit der Nyckelharpa (Tastengeige) einen erheblichen Anteil beiträgt.


Im letzten Jahr gab es ‚nur‘ eine ‚Best of‘ (My favorite Songs) Doppel-CD, jetzt legt SIMONE KOPMAJER ein komplett neues Album vor. Mit ihrem langjährigen Quintett um den Saxofonisten Terry Myers präsentiert sie einen gelungenen Mix aus wohldosiertem Vokal-Jazz, Brasil-Klängen und ja, sogar ein wenig Pop und Soul. Solide verbunden durch die austrainierte Combo und natürlich ihren samtwarmen, verführerischen Gesang. Selbst Komponiertes neben Klassikern von z.B. Lyra, Ellington, Bacharach, Jobim und Santana. Keine Experimente, keine Instrumenten-Vorführung, sondern absolut entspannte, hochklassige Unterhaltung, bevorzugt für späte Stunden.

Ganz der Gegensatz, hier kommt die Party! SMOOVE & TURRELL legen mit „Stratos Bleu“ bereits ihr 6. Studio-Album vor. Als führende Köpfe des britischen Soul der letzten mindestens 10 Jahre wagen sie mit der neuen Platte einen Schritt zur Seite. Als Konsequenz ihrer Erfahrungen als DJs beziehen sie in dieses Werk mehr elektronisch erzeugte Sounds und Anleihen bei populären Kollegen ein. Der Funk bleibt, die House-Beats kommen dazu, aber für simples 4-to-the-Floor sind sie nach wie vor nicht zu haben. Songs mit Struktur, Melodien zum Wiedererkennen und rhythmische Feinarbeit kennzeichnen auch dieses Werk. Ganz zu schweigen von den gesanglichen Qualitäten des Turrell.

Bunt und vielfältig wie das Cover

Vor zehn Jahren hiess sein Album ‚Bad Bad Things‘, jetzt kommt er zurück mit dem Gegenteil. Auf „Good Good Things“ lebt er zusammen mit den alten und neuen Freunden sein Faible für entspannte Downbeats aus. Dabei bedient er sich aus Sounds und Harmonien lateinamerikanischer Abstammung, Brasiliens, natürlich der Karibik, aber auch Afrikas und sogar des Hip Hop. Er beginnt das Album, für einen Spanier nicht ungewöhnlich, mit nach Flamenco klingenden Gitarren-Tönen, die aber direkt in den ersten Reggae-Groove münden. Eine gut ausgewählte männliche Stimme rundet den Song, bevor Hindi Zahra den nächsten Zeitlupen-Beat gesanglich veredelt. Danach ein Instrumental, das nach Calypso (in extrem langsam..) klingt, das er mit Bigband Bläser-Sätzen und Solisten auskleidet. So geht das von Titel zu Titel, jeder für sich eine neue Welt, mit anderen Instrumenten, neuen Tönen, die jedoch alle die gleichen rhythmischen und harmonischen Vorstellungen BLUNDETTO’s aufs Unterschiedlichste ausleuchten. Erstaunlich vielseitig und trotzdem wie aus einem Guss. Toller Return!


Dieses Mal auf Roadtrip

Es gibt Neues von WALDECK. Passend nach den Titeln der Vorgänger heisst das neue Album „Grand Casino Hotel“. Vom ‚Electro-Swing‘, den er in beinahe die ganze Welt exportiert hat, lässt er noch nicht ganz, entwickelt seine tanzbaren Rhythmen aber auch aus anderen Zutaten. In diesem Fall Sounds und Muster, die musikalisch an die Sixties, textlich an die Beat Generation erinnern. Neben seinen 3 ‚Stamm-Sängerinnen‘ kommt Carl Avoy als neue Stimme hinzu und Waldecks elektronische Klangästhetik wird mehr und mehr durch konventionelle Instrumente (Twang-Gitarren..) ergänzt. Nicht gänzlich neu, aber immer wieder spannend zu hören. Damit kriegt sein musikalischer Roadtrip die notwendige Erdung.


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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