Von Günter, 30.09.2020

SUZANNE VEGA/ SALOMEA/ JOSIAH JOHNSON/ WILDES HOLZ/ SUBWAY JAZZ ORCHESTRA/ CHRISTOPH IRNIGER TRIO

Über SUZANNE VEGA’s „An Evening of New York Songs and Stories“ habe ich im Mai bereits mehr geschrieben. Wurde dann kurzfristig verschoben und steht jetzt in den Läden. 24 Songs und Geschichten aus eigener und fremder Feder, mit kleinstmöglichem Besteck in wohlwollender, überschaubarer Umgebung intoniert unterhält sie ganz entspannt und souverän. Ein erfreuliches Wiederhören.

Optimistisches Experimentier-Gen

Ganz andere spannende Unterhaltung bietet SALOMEA mit ihrer „Bathing in Flowers“ CD. Sie singt, spielt die Tasteninstrumente und lässt Bass und Drums die komplexen Beats umsetzen. Ihr Gesangs-Rhythmus wechselt zwischen R’n’B / Hip Hop-Verwandtschaft und Jazz-verliebten Vokal-Ausflügen. Der gibt Tempo und Rhythmus vor, ihre Begleiter finden dazu Beats, die auch den geübten Beatbastler vor mindestens eine lange Nacht stellen. Ich sehe Erykha Badu oder Lauryn Hill an meinem inneren Ohr vorüberziehen. Aber die haben beide nicht dieses optimistische Experimentier-Gen.


Zwischen Indie, Folk und Pop

Manche erinnern sich eventuell an JOSIAH JOHNSON als Mitglied von The Head and the Heart. Sein aktuelles „Every Feeling on a Loop“ hat er in mindestens so vielen Studios eingespielt, wie es Titel enthält. Und noch mehr Kolleg*innen haben ihren Teil zu den 11 Tracks beigetragen. Singer / Songwriter mit einem guten Gespür für poppige Gesangslinien, gut ausbalancierte Arrangements und einem geschulten Auge für Zwischenmenschliches. Auf dem Weg zum Nachwuchs für die alten Helden der letzten Woche.


Blockflöte vor!

Ein paar ziemlich verrückte aus dem Süden. WILDES HOLZ haben sich mit dem Gitarristen Djamel Laroussi zurück zum Trio komplettiert und legen eine neue CD vor. In der Besetzung Kontrabass, Mandoline, Säge, Gitarre und vor allen Dingen: Blockflöte. Und weil die in der Pop-Musik nicht so häufig vorkommt, gibt es auf „Höhen und Tiefen“ nur 6 von 16 Titeln aus eigener Herstellung, die anderen 10 sind erstaunliche Interpretationen von Songs, die m/f eigentlich nicht nicht kennen kann. Von Jacko über Rocky zu Celine Dion auf der Säge. Kein Ulk! Die Herren sind austrainierte Hand- (Mund!)-Werker. Potentielle Hörer*innen sollten allerdings zumindest so viel Humor mitbringen, wie die Musiker.


Zum Glück wurde „Still screaming“ schon im letzten Jahr fertig gestellt. In diesem Jahr hätte es vermutlich grosse Probleme bereitet. Denn das SUBWAY JAZZ ORCHESTRA ist eine Big Band. 16 Männer, 1 Frau plus Arrangeur/Dirigent. Auf 8 ausführlichen Tracks, alle von Ensemble-Mitgliedern komponiert, zelebrieren sie modernen Big Band Jazz. Genügend konservativ, um auch nicht so trainierte Hörer*innen zu erreichen, aber keinesfalls brav und gefällig. Neugierig auf den Verlauf machende, melodische Bläsersätze, von der Rhythmusgruppe flexibel unterstützt und inspirierte Solisten, ob Trompete, Saxofon oder besonders Posaune.
Das CHRISTOPH IRNIGER TRIO hat sich für „Open City“ zum Quintett erweitert. Auch in dieser vergrösserten Besetzung gelingt ihm die Ergänzung der Komposition um das Moment der Improvisation. Eingängige Melodien, die vom Namensgeber am Tenor Sax, Loren Stillman am Alt Sax und Nils Wogram an der Posaune vorgestellt werden, bevor sie sie dann in kleinteilige Variationen umwandeln. Bläser und Rhythmusgruppe reagieren praktisch intuitiv auf einander, schaffen sich gegenseitig Raum und Linie für Ausflüge, deren Ausgang sie vorher nicht kennen, von denen sie aber wissen, dass sie sie gemeinsam unternehmen und zu einem guten Ende führen werden.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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