Von Günter, 11.11.2020

GEORGE DUKE/ EYOT/ WASHMA/ YELLOWJACKETS/ PEACE CHANT-Raw, Deep& Spiritual Jazz 1964-2020

Aus heutiger Sicht ist es nur schwer nachvollziehbar, dass wir mit dieser Musik den Laden beschallt haben. Derzeit gäbe es dafür schnell die rote Karte, nicht nur von der Geschäftsleitung. Die Rede ist von den frühen Solo-Alben von GEORGE DUKE. Seit Mitte Mai wird sein Schaffen für das Schwarzwälder MPS Label auf 6 einzelnen CDs, klanglich restauriert, neu aufgelegt, gibt’s als Box mit 7 LP oder einzeln schon länger. Auch in der Nachbetrachtung ist es faszinierend, seine Entwicklung vom ‚seriösen‘ Jazz-Musiker hin zum experimentierfreudigen und humorvollen Fusionmeister (danke, Hank) zu verfolgen. Mit diversen Keyboards und Synthies erzeugte er Sounds, die das Publikum erstaunten und faszinierten. Dabei versäumte er nie einen gewissen funky Beat, komponierte Samba und Blues genau so überzeugend. Gelegentlich sang er sogar, liess aber den beteiligten Musiker*innen (u.a. Airto, Flora Purim, FZ und besonders Alphonso Johnson am Bass und Ndugu Chancler an den Drums, genügend Raum sich zu behaupten und den Hörer*innen (und Musiker-Kolleg*innen..) das ein oder andere Rufzeichen ins Auge (Ohr!) zu pflanzen. Funktioniert immer noch sehr gut, auch wenn es von Vorteil ist, die Musik schon in den Jahren ihres Erscheinens (1973-76) gehört zu haben.

Eyot – Von Fusion bis Prog

Aus der heimischen Tradition schöpfen, sie aber in einer ganz anderen, eigenen Art und Weise interpretieren, das ist der Hintergrund zu „557799“, dem aktuellen Album von EYOT. Vom Balkan stammend arbeiten sie gekonnt die internationalen Idiome der Fusion von Jazz mit Rock in ihren Stil ein, der genauso Einflüsse von klassischer Komposition enthält. Konventionell besetzt mit b,p,git,dr, (auf Track 1 verstärkt durch Trompete und Saxofon) gibt es keinen Leader oder Frontmann. Auf den 7 meist sehr langen Tracks ergänzen sich die 4 Herren hervorragend und haben auch kein Problem mit dem rhythmisch ziemlich komplexen Titelstück.


Sehr viel erkennbarer am Ursprung der Musik bewegen sich die Klänge auf WASHMA, dem Projekt von Faleh Khaless, Johannes Treml und Sebastian Flaig. Mit verschiedenen arabischen Saiteninstrumenten, akustischer Gitarre und Perkussion schöpfen sie aus der Vergangenheit der Berber-Musik von Marokko bis Tunesien, interpretieren die traditionellen Tonfolgen in eher westlichen Arrangements. Das macht die ausserordentliche handwerkliche Arbeit für europäische Ohren sehr viel leichter nachvollziehbar.

Yellowjackets – In Vollausstattung

Die YELLOWJACKETS muss ich hier wohl nicht mehr vorstellen. Seit den frühen 80ern liefern sie in Abständen ausgefuchste Fusion-Jazz Werke auf Tonträgern ab. Das aktuelle Werk heisst „Jackets XL“, weil der bisherige 4er für diese Produktion um die WDR Big Band erweitert wurde. Für 10 Tracks aus dem bisherigen Schaffen schufen Bob Mintzer, Russell Ferrante und Vince Mendoza passende neue Arrangements. Der Charme und der Groove der Kleinbesetzung scheint deutlich durch, ergänzt um raffinierte Bläserfiguren und -soli. Knackige Rhythmen, zackige Breaks und über Jahrzehnte trainiertes Handwerk trösten problemlos nicht nur die Fans darüber hinweg, dass kein neu komponiertes Material an Bord ist.


Peace Chant – ..Salvation of Society’s Soul!

Keine noch so existenzielle Krise des Planeten hält die Damen und Herren von TRAMP Records davon ab, weiterhin nach unentdeckten Klängen und Perlen zu forschen. Gerade erschienen ist der neue Teil der Reihe „PEACE CHANT- Raw, Deep & Spiritual Jazz 1964-2020“ (auf CD Nr. 2, auf Vinyl Nr. 3 und 4). Mehr Material also, als auf 1 Vinyl-Platte gepasst hätte. 15 Tracks von Post-Bop zu modal, von Avantgarde zu transzendental, spirituell, ethnisch, unterschiedlichster Herkunft und in entsprechend variabler Instrumentierung. Der grosse gemeinsame Nenner dieser Zusammenstellung ist die Orientierung der beteiligten Musiker*innen, ihren individuellen Beitrag zu leisten, das Bewusstsein für Menschlichkeit zu stärken und damit den Kern, die Seele der Gesellschaft zu erhalten. Versteht jede/r, ohne Studium, ohne Bücher, einfach durch zuhören und überraschen lassen.


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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