Von Günter, 13.01.2021

CHORO DA RUA/ BARCELONA GIPSY BALKAN ORCHESTTRA/ DOUG CARN/ MARTIN & GARP

Choro da Rua – Vergangenheit lebendig umgesetzt

Der Name ist Programm und gleichzeitig Fleissaufgabe. Das Duo CHORO DA RUA erforscht die Wurzeln des Choro und transportiert diese in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in und um Rio entstandene Musik mit klassisch trainiertem Handwerk in eine Interpretation des 3. Jahrtausends. Diese Mischung aus der Musik der europäischen Eroberer und der Kultur der importierten Sklaven gestaltet es auf „Santo Balsamo“ mit Querflöte und Gitarre, dazu auf wenigen Titeln Klarinette oder Piano, nach seinen Vorstellungen, interpretiert entdeckte Favoriten als auch eigene Geschöpfe. Virtuose Fähigkeiten erlauben dem Duo / Trio neben fein ziselierten Balladen hochkomplexe, temporeiche Tonfolgen. Oft unisono oder auch in gegenläufigen Figuren. Selbst eine Partita von Bach klingt mit den 2 Instrumenten, als hätte sie durchaus in Brasilien entstehen können.


Barcelona Gipsy Balkan Orchestra – Name ist Programm

Auch bei dieser ist mit dem Namen schon vieles gesagt. Das BARCELONA GIPSY BALKAN ORCHESTRA schöpft jedoch aus noch viel mehr Töpfen. „Nova Era“, den Titel, übersetze ich mal mit ‚hier geht es weit über unseren eigentlichen Tellerrand hinaus‘. Balkanische und spanische Klänge sind erwartbar, das Ensemble aus Sängerin und 7 Instrumentalisten aus 6 Ländern hat von vielen Auslands-Auftritten diverse musikalische Eindrücke mitgebracht und hier verarbeitet. Die Klarinette schluchzt und jauchzt, die Stimme kann arabische Färbung, Flamenco-Ausdruck und darüber hinaus. Die Band kommt mit buntest gemischtem Hintergrund dazu. Russisch klingende Tempo-Nummern, natürlich Klezmer, auch aus Mazedonien, Griechenland und der Türkei hat sie Melodien mitgebracht, die sie in ihren spezifischen ‚Orchester-Sound‘ übersetzt. Extra tempo- und abwechslungsreich.


Nicht ganz so weit zurück in Traditionen geht es mit DOUG CARN auf „Jazz is Dead 5“. Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad legen das 5. Werk ihres Jazz is Dead Labels vor. Dafür haben sie die Orgel-Legende Doug Carn gewinnen können. Er wurde nie bekannt wie Jimmy Smith, obwohl er als Sideman bei Charles Tolliver bis Cannonball Adderley und auch als Leader eigener Combos seine Fähigkeiten demonstrierte. Irgendwo zwischen Spiritual Jazz und Jazz-Hip Hop-Funk-Noir pendeln die 11 Tracks der CD, auf der die Combo mit Rhodes, 2 Bläsern und Drums die Hammond umspielt und unterstützt. Überwiegend lyrische ‚Sounds of Blackness‘ ergänzt mit dezentem Funk, einem Schuss Brasil und engagiert aufspielenden Bläsern. Sicher, liest sich ein bisschen Retro, aber diese Musik ist einfach zeitlos.

Martin & Garp – Sentimentale Westcoast Fools

Und noch eine, die auf den ersten Blick klingt wie von gestern. MARTIN & GARP , Produzent und Sänger lassen auf „Sentimental Fools“ ihrer Vorliebe für den Sound der US Westküste und dem unverwechselbaren Klang der 70ern freien Lauf. Luftige Sounds mit luxuriösen Harmonien, Melodien, die zumindest dem nicht mehr ganz so jungen Menschen sofort geläufig scheinen, ‚richtige‘ Instrumente, Gesang mit einer oder 2 Stimmen und selbst wenn es mal melancholisch wird, scheint die Sonne doch durch. Wem die Doobies, Steely Dan, Hall & Oates oder Eagles und deren typische Harmonien noch geläufig sind, wird an diesem Album grosse Freude haben. Noch ein Pluspunkt: Jeder Titel hat mindestens einen Chorus ohne Gesang für die passende Einlage eines Instruments. Musik fürs ‚offen‘ Fahren wenn bald mal das Wetter danach ist.


Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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