Von Günter, 31.03.2021

NILS FRAHM/ LILLY/ RUDI BERGER feat. TONINHO HORTA/ GARY BARTZ/ UASSYN

Na, heute schon jemanden in den April geschickt? Nach Scherzen ist mir gerade nicht so.

Nils Frahm – Zum Welt-Piano-Tag

Wenn ich richtig gezählt habe, ist der 88. Tag dieses Jahres der 29.3. und damit, 2015 erstmals ausgerufen, der World Piano Day (Hallo Paul!). An diesem Tag veröffentlicht NILS FRAHM sein bereits 2009 aufgenommenes „Graz“, Klavier solo. In der Zwischenzeit vom Publikums- auch zum Medienliebling avanciert, liefert er hier 9 sehr atmosphärische, wohlklingende Variationen seiner eigenen Definition von Pianist/Komponist. Ganz ohne ‚Störgeräusche‘, die eine mögliche erwachsene, Konzertsaal-erprobte ZuhörerInnenschaft erschrecken könnte. Meist gemässigtes Tempo, gelegentlich etwas zusätzlicher Hall und oder Stimmen, die der Melodie folgen. Kleine, undramatische Werke, für einen (der vielen..) ruhigen Abende zuhause.


Das war einer allein. Jetzt eine/r mehr. Sängerin LILLY lässt sich auf „The Song is You“ nur vom Gitarristen Gilad Hekselman begleiten. Auf einzelnen Titeln dazu sparsame Perkussion oder ein Kornett und das war es. Zehnmal gut ausgesuchtes ‚Great American Songbook‘ in sehr individueller Interpretation. Stimmlich überzeugend und flexibel, dazu ein kreativer Gitarrist, ein wenig wie ‚July is her Name‘, lediglich statt gesäuselt und gehaucht mit Jazz trainierter Stimme gesungen.

Rudi Berger & Toninho Horta – Brasil Jazz in Variationen

Noch ein überwiegend Zweier, allerdings mit einigen Extra-Titeln in grösserer Mannschaft. RUDI BERGER feat. TONINHO HORTA ist das Ergebnis einer sehr lange währenden Freundschaft. Aufnahmen aus 1988 bis 2019 in denen Geige und Gitarre die Brasil-Möglichkeiten ähnlich virtuos ausloten wie einst Django und Stephane den Gypsy Jazz. Den 8 Duetten folgen die 10 weiteren Titel in grösserer Besetzung. Brasil-Jazz der sich klar in der Tradition bewegt, wobei es erstaunlicherweise fast keinen Intonations-Unterschied zwischen der 1. Hälfte der Titel, die in USA mit dortigen Musikern eingespielt wurden, und dem anderen Teil mit heimischen Musikern in Rio. Verändert die Welt nicht, passt aber gut zum gerade aufkommenden Sonnenschein.


Gary Bartz – Nachwuchs ehrt Altmeister

Fleissig, fleissig, die beiden A Tribe called Quest-ler Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad sind mit ihrer „Jazz is Dead“ Reihe, deren 1. Folge mich Mitte letzten Jahres erreichte und mit Auszügen aus den folgenden Veröffentlichungen ein Schlaglicht auf die zukünftigen CDs warf, bereits bei Folge 6 angekommen. Nach Roy Ayers, Marcos Valle, Azymuth und Doug Carn ist GARY BARTZ der gefeierte ‚Leader‘. Ohne Samples oder Programmierung geht es in kleiner Besetzung durch traditionell aufgebaute Fusion Jazz Tracks, die durch Drummer Greg Paul mit zeitgemässen Beats vorangetrieben werden. Der ‚alte Herr‘ Bartz, der in den vergangenen 60 Jahren mit fast allen Grössen des Jazz gearbeitet hat, ist in bestechender Form. Mit Alt- und Tenor-Saxofon führt er das kleine Team durch dezente Balladen, groovige midtempo Rhythmen und Hip Hop orientierte Stolpersteine. Auch in diesem Fall eine gelungene, späte Würdigung eines wichtigen Impulsgebers.


Schon kommt Jazz Thing Next Generation Nr. 87. In diesem Fall für meine musikalische Sozialisation etwas zu komplex. UASSYN , Schweizer Trio aus Bass, Drums und Alt-Saxofon spielen auf „Zacharya“ sehr frei zusammen. Sehr dynamischer Drummer, äusserst mobiler Bassist und ein findiger Saxofonist. Intuitives Zusammenspiel, kreativer Umgang mit Tönen, avantgardistisches Klangbild, für mich zum ‚Durchhören‘ allerdings zu komplex.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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