Ohrenschmauch
Von Günter, 21.12.2022
OSCAR PETERSON TRIO/ HAZEL DICKENS & ALICE GERRARD/ LOW/ NILS FRAHM/ ERIKSSON/MYHR/MALMSTRÖM/ LUISA SOBRAL
Noch 2 Tage. Geschenke versteckt, genügend Futter in allen Variationen eingelagert? Alle zusätzlichen Stromverbraucher (Raclette, Heizlüfter…) entstaubt? Dann kann es ja was werden. Oder wegfahren, das geht auch.
Vielleicht in einer Zeitkapsel, rückwärts? Nicht so leicht, aber „On a clear Day“-The OSCAR PETERSON TRIO Live in Zürich 1971 hilft bestimmt. Bislang unveröffentlicht, der geniale Pianist in Begleitung zweier ebenbürtiger Mitmusiker, Niels-Henning Orsted Pedersen am Bass und Louis Hayes am Schlagzeug. Diese Aufnahme am Ende einer 6 wöchigen Tour zeigt die drei Herren mit ausgeprägtem Spielwitz, in bester Laune und den handwerklichen und musikalischen Fähigkeiten, dem Publikum ein unvergessliches Erlebnis zu bescheren. 8 Klassiker/Standards von drei Meistern ihres Fachs swingend dynamisch präsentiert. Entsprechend frenetisch reagiert das anwesende Publikum.
Noch weiter zurück in der Zeit führt „Pioneering Women of Bluegrass“, die definitive Edition der besten Songs von HAZEL DICKENS & ALICE GERRARD. Mit Kontrabass (Hazel) und Gitarre (Alice) in einer Zeit, als Frauen in diesem Genre bestenfalls im Hintergrund zuhören waren, prägten sie mit ihren eigenen Songs, besonders aber neu arrangierten Traditionals, eine ganze Genration und darüber hinaus ein neues Selbstverständnis für Musikerinnen. Wie sehr die Männerwelt diese beiden Vorreiterinnen akzeptierten, erkennt m/f leicht daran, dass bei den Aufnahmen dieser Titel renommierteste Männer des Genres an Fiddle, Banjo und Mandoline Unterstützung leisteten und den exzellenten Background schafften für den zweistimmigen Gesang der beiden. Sowas gibt’s natürlich nur bei Smithsonian Folkways, wie immer mit ausführlichem Booklet(30 Seiten) mit wissenswerten Information zu Künstlerinnen und Songs.
LOW huldigen auf ihrem Payday dem humorvoll kritischen 3 Akkorde Punk. Klingt für mich ein wenig aus der Zeit gefallen, wird aber mit Schwung, Lebendigkeit und Können ausbalanciert. Als Orientierungspunkte nenne ich mal die frühen Beastie Boys oder die späteren Clash. Bin ich vielleicht zu alt für.
NILS FRAHM’s „Old Friends New Friends“ sind 23 Klavierstücke aus den vergangenen 10 Jahren. Vorher nie veröffentlicht und jetzt zu einem kleinen Überblick seiner Schaffensweise zusammengestellt. Zwischen Minimal, sanft und ruhig bis fast feierlich klassisch erzeugt er trotz der kurzen Spielzeit der Titel eine absolut beruhigende Atmosphäre. Seine elektronische Seite bleibt, wenn sie überhaupt auftaucht, ganz dezent im Hintergrund.
Das gelingt auch dem Trio ERIKSSON/MYHR/MALMSTRÖM. Mit Gitarre, Hardanger Fiddle und Klarinetten erarbeiten diese zwei Frauen und ein Mann auf „For sola skin‘ pa Tak‘ einen unbedingt individuellen Sound, der sich aus nordischer Melancholie und entsprechenden Harmonien zusammensetzt. Der fingerfertige Gitarrist legt fein ausgearbeitete Tonfolgen zur oft unisono Begleitung von Fiddle und Bassklarinette aus, die Hardanger kommt gezupft zum Einsatz und die Klarinette improvisiert über Gitarren-Akkorden. Wundervolle Instrumentalmusik ohne Profil-Neurosen.
Was mit Sonne im Herzen zum Schluss. LUISA SOBRAL macht mit „Dansando“ das halbe Dutzend voll. Mit vielhändiger Hilfe unter der Regie ihres Produzenten To Brandileona klang sie jedoch bislang nie so auffälig orientiert an Pop (nicht der aus dem Radio..). Der portugiesische Tonfall der Harmonien ist nicht zu überhören und die typische Saudade schwingt erkennbar im Hintergrund mit, gewinnt jedoch nie überhand. Mit ihrer vielseitigen, klaren Stimme bestimmt sie das Geschehen, auch wenn der Background mal in grosser Besetzung ordentlich Volumen bietet. Kein Fado, keine zweifelnde innere Einkehr, sondern die daraus resultierende Lebensfreude in geniesserische Melodien gegossen. Wunderbar leicht.
na dann... Frohe Weihnachten!