Von Günter, 11.05.2022

MOLASS/ JOSCHO STEPHAN/ SVEN JUNGBECK/ PETER PROTSCHKA QUINTET/ MARTIN MÜLLER/ MISIA

Molass – Neo Soul trifft Jazz

Bereits Anfang April veröffentlicht, sicher bisher nur im engeren Umfeld (Köln) wahrgenommen. Das Quartett um die Sängerin Marissa Möller hat als MOLASS seine 2. Platte herausgegeben. „Piece of Mass“ ist eine äusserst ungewöhnliche Mischung aus Neo-Soul und Jazz in ausgeklügelter handwerklicher Umsetzung. Unter fliessenden Harmonien, von der Sängerin mit Texten und wortfreier Stimmbegleitung unterlegt, mit gebrochenen Rhythmen, variabel in Metrik und Dichte und werden die Songs nie bis zum Ende ausformuliert, es sei denn, im Kopf der Hörenden. Komplexe Arrangements, fast freie Passagen, dabei leicht zugänglich und durchsichtig produziert. Als LP oder CD nur im Band eigenen Shop.

Selten genug, jetzt gleich 2 in einer Woche. Die Gypsy Jazz Grösse JOSCHO STEPHAN kommt mit einem Live Album. Auf „Live-Guitar Heroes“, mitgeschnitten auf 4 Konzerten, präsentiert er neben seinem ‚Standard Trio‘ für diese Abende als Gaststars S. Rosenberg, B. Lagrene, R. Smith und O. Soikkeli, die auf den 12 Titeln jeweils ihren persönlichen Abdruck hinterlassen. Die Song-Auswahl geht dabei weit über die Gypsy-Badewanne hinaus, Eigenes, Ellington, Atkins, Bonfa sind nur ein paar der zitierten Komponisten. Schwung, Dynamik und schöne Balladen. Ein Fest für akustische Gitarren.

Sven Jungbeck – ..mit vielen Gästen

Der 2. Ist SVEN JUNGBECK, fest engagierter Rhythmus-Gitarrist in Joscho’s Trio und mit „Invites“ mit eigener CD unterwegs. Der Titel trifft es, eine Menge musikalischer Gäste hat er eingeladen. Allein 8 zusätzliche Gitarristen, 4 Männer an Bässen, dazu Trompete, Vibraphon und Violine. Nicht alle gleichzeitig! Gut ausgewählt, für jeden der 17(!) Titel aus dem weiten Feld der Musik, von Reinhardt/Grappelli über Mackeben, S. Distel zu Filmmusiken und Eigengewächsen, die richtige Kombination. Von Fingerakrobatik zu sanften Harmonien, von Evergreens zu wenig Bekanntem. Für beide CDs gilt unbedingt der alte Blue Note Slogan: It must schwing!

Auch das PETER PROTSCHKA QUINTET ist davon nicht weit entfernt. Allerdings beherrschen sie noch ganz andere Ausdrucksformen. Angesiedelt im späten Bop der europäischen Schule besticht die Combo durch ihre auf allen Positionen erstklassige Besetzung und das seit 9 Jahren perfektionierte Zusammenspiel. Die Bläser, der Leader an der Trompete und Rick Margitza am Sax, ob unisono oder im Einzel stehen im Vordergrund, die Rhythmusgruppe sorgt für den Unterschwelligen Drive und das Piano vervollständigt und umspielt die Harmonien raffiniert. Das liest sich hier jetzt nach Old School, klingt jedoch absolut zeitlos modern.

MARTIN MÜLLER’s 2. CD in kurzer Zeit ist auch keine richtig neue. Auf „Better Days for Guitar Players“ erinnert er in 11 Titeln aus den Jahren 84-88 an die grosse Zeit der akustischen Gitarre. Besonderheit: Auf allen Titeln spielt er in unterschiedlichen Besetzungen Eigenes und Fremdes mit Nylon Saiten.

Misia – Fado fantastico

Schwung und Tempo gab es heute schon genug, hier kommt eine Portion Saudade. MISIA legt mit „Animal sentimental“ das wohl sparsamst instrumentierte Album ihrer Karriere vor. Gedichte und Songs portugiesischer Abstammung (Texte in englischer Übersetzung inkl.), beinahe arrangiert wie klassisches Liedgut. Überwiegend zum Piano allein, dazu gelegentlich 1 Gitarre (oder 1 mehr..) und manchmal ein Kontrabass. Die Reduktion der Begleitung lässt ihre ausdrucksstarke Stimme, ihren gesamten Gesangsvortrag, umso mehr strahlen. Fado fantastico!

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Günter Günter

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