Von Günter, 26.10.2022

LEE FIELDS/ PLAINS/ MARIA MENDES/ REBECCA TRESCHER NEW SHAPES QUARTET/ WILLI CARLISLE/ LIRAZ/ CARMEN SOUZA/ DANS DANS/ MOSE

Mit der fange ich heute mal an. LEE FIELDS ist vielleicht der einzige lebende ‚Pure Soul‘ Sänger des Planeten. Mit „Sentimental Fool“ legt er nach 3 Jahren ein neues Werk vor, produziert für das Daptone Label, das für seine modern-authentischen Produktionen geliebt wird. Eine richtige Band, Bläser und ein klingendes Studio schaffen den idealen Background, auf dem der Sänger seine Fähigkeiten entfalten kann. Wie der Titel andeutet, überwiegend Songs, die bestenfalls zum Engtanz auffordern.

Als PLAINS besinnen sich Katie Crutchfield und Jess Williamson an die Lieblingsmusik ihrer Kindheit. In 10 Songs bewegen sich die beiden durch unterschiedliche Variationen von Country. Leicht pathetische Balladen, lässige Rocker, zum guten Teil in zweistimmigem Gesang, weder Texte noch Arrangements bedienen die in diesem Genre gern genommenen Stereotypen. „I walked with you always“ entspringt der sentimentalen Erinnerung in einer real harten Zeit.

Mit „Saudade, Colour of Love“ bringt MARIA MENDES die Songs ihres Studio Albums auf die Bühne. Live aufgenommen mit ihrer Band und dem Amsterdamer Metropol Orkest verbindet sie die Musik ihrer Heimat, Fado, mit ihrer Auffassung von Jazz. Farben und Stimmungen des Orchesters unterstützen die Verbindung von Sentiment und Ausdruck, ihre Combo sorgt dabei für die nötige Portion Jazz.

Rebecca Trescher… – Sehr besonders

Ungewöhnlich diszipliniert kommt das REBECCA TRESCHER NEW SHAPES QAURTET daher. Die unterschiedlichen Song-Vorgaben der Klarinettistin setzen ihre Mitstreiter an git, b, und Drums ausgesprochen zurückhaltend, aber nicht brav, in ihre jeweilige Interpretation um. Frei assoziiert, nicht wild, im melodischen Rahmen bleibend, aber nicht nach dem Schönklang suchend. Vier intelligente Musikschaffende, die ihre Fähigkeiten miteinander arrangieren und dabei eine fast körperlose, schwebende Musik kreieren. Sehr besonders!

In eindeutiger Country-Songwriter Manier trägt WILLI CARLISLE seine überwiegend selbst verfassten Songs über Rastlosigkeit, Heimat-Mangel, allgemeine Unzufriedenheit und weitere ungünstige Umstände vor. In authentischen Arrangements, von passender Band und Instrumentierung begleitet setzt die kräftige Stimme seine wortgewaltigen Texte auf „Peculiar, Missouri“ in Szene. Sein Motto: Stay weird, stay wild!

Liraz – Oriental Pop

Die iranisch-israelische Sängerin LIRAZ hat ihr „Roya“ mit MusikerInnen beider genannten Länder in der Türkei (auf ‚neutralem‘ Boden) aufgenommen. Vielleicht sind es gerade diese Umstände, die das Album so kraftvoll und selbstbewusst klingen lassen. Orientalische Motive, europäische Instrumentierung, druckvolle Ausführung, dazu Liraz’s überzeugender Gesang – Pop Musik im Hier und Jetzt, produziert unter ungewöhnlichen Bedingungen, vielleicht gerade deshalb so ‚echt‘.

CARMEN SOUZA lässt auf „Interconnectedness“ immer mal wieder ihre Kap Verdische Heimat durchscheinen, erzeugt mit Partner Theo Pascal jedoch eine sehr eigene Version von Jazz mit Pop Appeal. Mit kleinstmöglichem Besteck und ungezügeltem Enthusiasmus gibt’s sogar Versionen von My Baby just cares for me und Pata Pata.

Mose – Lieber frei als Pop

Den nächsten beiden unterstelle ich einen gemeinsamen Hintergrund. Die belgischen DANS DANS mit „6“ (obwohl erst Album Nr. 5) und MOSE mit „Puls“ agieren musikalisch zwischen ruhigen, melodischen, beinahe ambient ausgeführten Kompositionen und ziemlich frei arrangierten Ausflügen in Richtung Jazz. Dans Dans singen nicht, Mose nur wenig, beide zeigen aber ein feines Gespür für Melodie und Rhythmus, nutzen das aber nicht für simple, eingängige Songs, sondern tendieren glücklicherweise lieber in Richtung Experiment. Kann m/f sich drin verlieren!

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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