Von Günter, 02.11.2022

YOUNG GUN SILVER FOX/ YARON HERMAN/ AGA LABUS/ RICHARD GALLIANO NEW YORK TANGO TRIO/ JUSSI REIJONEN/ JAKE BLOUNT/ Dr. WILL & SASCHMO

Young Gun Silver Fox – Sonnenschein-Musik

Sonnenschein-Pop mit einer leichten Dosis Funk transportieren YOUNG GUN SILVER FOX auf ihrem bereits 4. Album. „Ticket to Shangri-La“ versammelt die Tugenden der US Westküsten-Musik der späten 70er und fügt ihnen die trainierte Kreativität und Finesse von Andy Platts und Shawn Lee, den beiden Köpfen hinter diesem Projekt, hinzu. Mehr Groove als der Vorgänger, klasse Bläser und entsprechend fette Produktion. Perfekte Erinnerung ohne kopieren oder Plattitüden.

Ohne Vorbereitung, ohne Konzept ins Studio und vollkommen spontan, auf den Moment ausgerichtet eine Klavier-Solo-Platte einspielen, das war die Grundidee von YARON HERMAN für „Alma“. Herausgekommen sind dabei 16 mehr oder weniger lange Improvisationen, in denen sich Tonfolgen erkennen lassen aus Volksweisen, Jazz-Standards oder klassischen Werken. Nuancenreich gespielt, mit feinem Gespür für Dynamik und handwerklicher Kunst. Von kontemplativ bis aufmunternd.

Aga Labus – Selbst organisiert

Irgendwo zwischen der experimentellen Kate Bush und der Soundforschung von Björk bewegt sich AGA LABUS mit ihrer selbst organisierten CD „Magnetic Mystery Mothers“. Elektronische Sounds, garniert mit konventionellen Instrumenten beherrschen das Bild, nicht justiert in Richtung Pop, eher offensiv, passend zu den feministisch/humanistisch formulierten Texten. Spoken Word, Gesang in 3 Sprachen, zielt ihre Musik nicht auf den schnellen Konsum, sondern auf dass Eindringen ins Bewusstsein.

Deutlich mehr für seine Fans, als für das ‚grosse‘ Publikum erscheint gerade der Mitschnitt des Konzerts beim Cully Jazz Festival 2022 des RICHARD GALLLIANO NEW YORK TANGO TRIO. Besetzt mit Akkordeon, Bass und Gitarre improvisieren die drei Tango Nuevo, ganz im Sinne des späten Piazzolla. Aus dessen Repertoire finden sich auch 3 Tracks auf dem Album, neben eigenen Titeln, und Ausflügen zu Gainsbourg oder Satie. Nicht wirklich tanzbar, mehr für den knapp 50 minütigen Ausflug weg von dieser Welt.

Erinnerungen an das 2. Album des Mahavishnu Orchestra bringt mir JUSSI REIJONEN’s „Three Seconds“. Etwas grösser besetzt, zusätzlich 2 Bläser, Cello und Perkussion, von der Idee jedoch sehr nahe dran. Tonfolgen und Rhythmen, vornehmlich arabisch/asiatischen Ursprungs mit westlicher Auffassung und Instrumentierung in eine zwar straff organisierte, jedoch relativ freie Interpretation von Jazz einzuarbeiten. Dabei kommen weder Musse noch Tempo zu kurz, schleichend langsame Passagen kombiniert mit dynamischen Ausflügen. Konzentrationssache zuhören können.

Jake Blount – Wer wird überleben?

Und wieder eine Perle aus dem Hause Smithsonian Folkways. JAKE BLOUNT intoniert auf „The New Faith“ eine afrofuturistische Geschichte über eine von Kriegen und Klimawandel zerstörte Welt. Zusammengesetzt aus überlieferten Gospels und Gesängen der schwarzen Communities aus 300 Jahren. Überwiegend mit akustischen Instrumenten (Strom ist in seiner Zukunft knapp) und Gesang. Nicht wie der gefeierte Gospelchor auf Tournee, sondern mit wenigen Überlebenden der Katastrophe, herunter gestrippt auf ein paar Stimmen, begleitet von Banjo, Fiddle und Perkussion. Eine elektrische Gitarre gibt’s auch, aber Zentrum sind die ‚alten Songs‘, die den Ahnen in vergleichbar miserablen Zeiten Orientierung und Überlebenswillen vermitteln sollten. Trotz der formuliert düsteren Zukunftsaussichten bleibt am Ende die Hoffnung, dass wenigstens einige von uns übrig bleiben.

Sehr vom Blues der 30er Jahre beeinflusst klingt „To the Bone“ von Dr. WILL & SASCHMO. Der Doktor grummelt mit Reibeisenstimme, neben eigenen, Songs von Willy Dixon, Peter Green und anderen ‚Helden‘, Sascho begleitet ihn authentisch und handwerklich ausgebufft auf diversen Gitarren. Nicht wirklich neu, aber immer wieder packend.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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