Von Günter, 22.02.2023

CHRISTIAN McBRIDE‘s NEW JAWN/ CHRISTINA PLUHAR & PHILIPPE JAROUSSKY/ PAAL FLAATA/ PYANOOK/ PRAISE POEMS 9

:Christian McBride – Dynamisch und frei

Nomen est Omen. Aus ‚Hot Bedlam‘, dem heissen Chaos der ersten Sekunden entwickelt sich ein Rhythmus auf einer Bass-Figur, die gut von Bootsy Collins stammen könnte. Über den passend knapp gehaltenen Drum-Beat legen die Bläser ein melodisches Thema und improvisieren nach- und miteinander auf Trompete und Sax. So beginnt die neue CD des Bassisten und seinem CHRISTIAN McBRIDE‘s NEW JAWN Quartet. Im weiteren Verlauf von „Prime“ bewegt sich die Combo inspiriert und recht frei durch die Kompositionen von jeweils einem Band-Mitglied, dazwischen Stücke von Ornette Coleman, Larry Young und Sonny Rollins mit Schwung und deutlichem Verweis auf Bop Wurzeln.

Deutlich ausserhalb meiner Kompetenz, aber einfach musikalisch spannend. CHRISTINA PLUHAR & PHILIPPE JAROUSSKY und Ensemble präsentieren auf „Passacalle de la Follie“ französische Hofmusik aus dem 17. Jahrhundert. Nicht steif und förmlich, wie m/f es den barocken Kompositionen unterstellen könnte, der Counter-Tenor und die Lautistin leben diese Musik. Nicht nur einstudiert für diese CD, befassen sie sich und arbeiten schon lange und intensiv mit ihr. Dazu improvisatorische Freiheiten in einfach schönen Melodien mit traumhaftem Gesang. Dafür muss m/f kein Purist sein.

Im ersten Augenblick dachte ich an einen kleinen Etikettenschwindel. Die Songs, die PAAL FLAATA für seine neue Platte ausgesucht hat, drehen sich alle um Liebe und Verlust. Titel von Randy Newman bis Jacques Brel oder Chris Isaak. Entsprechend melancholisch bis traurig ist die Grundstimmung. Den passenden Tonfall hat er bereits früher mit dem Midnight Choir unter Beweis gestellt. Komplett akustisch ausgestattet behandelt das Quartett die Songs sensibel und sparsam, betont mit Saiten und Fellen den Schmerz und die Verzweiflung des Sängers, der jedoch mit dem Album-Titel „New Grass will grow“ seinen weiter-Lebensmut und ein wenig Optimismus andeutet.

Pyanook – Faszinierende Mischung

Zwischen Experiment und Wohlklang, zwischen Sturm und Drang und Romantik bewegt sich die Musik von Ralf Schmid alias PYANOOK. Mit Klavier, zurückhaltenden Elektronics und Perkussion erschafft er mit seinen HelferInnen eine faszinierend ganzheitliche Musik. Die Melodie gebenden Piano Motive lassen sich Jazz oder Klassik oder Pop zuordnen, sind aber alles zugleich oder nichts von dem. Mal schweben die Harmonien mit den Trondheim Voices himmelwärts, dann wieder holen Perkussion und Electronics sie zurück auf einen abstrakten Tribal Beat. „Zas“ ist leicht zu hören, jedoch ist die Herkunft kaum zu identifizieren. Orient, Okzident, Norden, Süden, auf eine Weise in Zusammenklang gebracht, die absolut keinem Genre entspricht, aber von allen etwas in sich trägt. Toll!

Praise Poems 9 – It was a very good Year

Die Frage, ob die jeweils neueste Folge einer Serie spannender oder ‚besser‘ ist, als die erste, kann nur jede/r für sich beantworten. Auf jeden Fall haben die Damen und Herren von TRAMP Records auch für die aktuelle „PRAISE POEMS 9 – A JOURNEY INTO SOULFUL JAZZ AND FUNK FROM THE 70s“ wieder alle Register gezogen und 16 Titel auf CD oder Doppel LP zusammengeführt, die aus welchem Grund auch immer, nie das richtige Licht der Sonne erblickt haben. An Songqualität oder handwerklicher Ausführung kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Dem Jazz und Funk haben sie in diesem Fall ein wenig soulful Rock beigemischt, was dem Gesamtergebnis sehr zugute kommt. Da passt Titel Nr. 16 absolut perfekt: ‚It was a very good Year‘.

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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