Von Günter, 05.04.2023

ADRIANA CALCANHOTTO/ MARTIN KOHLSTEDT/ MATYAS BARTHA/ SUNBÖRN/ BANDA BLONDEAU/ MATHIEU CLEMENT SEXTET/ SUNNA GUNNLAUGS/ GRÖNEMEYER/ ELEMENT OF CRIME

Allein schon die Tatsache, dass mal ein nicht europäisches oder amerikanisches Produkt auf meinem Schreibtisch landet ist mittlerweile schon bemerkenswert. Umso mehr freut es mich, dass mit „Errante“ von ADRIANA CALCANHOTTO eine aktuelle CD aus Brasilien den Weg in die hiesigen Veröffentlichungslisten findet. Über ca. 20 Platten hinweg hat die inzwischen 57 jährige immer wieder aufs Neue bewiesen, aus Bossa, Samba, ein wenig Pop und viel Fantasie lässt sich wunderbar melodische und entspannte Musik zaubern. In kleiner Besetzung, mir nur dezenter Anwendung digitaler Werkzeuge kommt hier ihre sanfte Stimme voll zur Geltung.

Martin Kohlstedt – Endlose Harmonien

Auf ganz anderes Terrain entführt uns MARTIN KOHLSTEDT mit seinem „Feld“. Minimal in Instrumentierung und Gestaltung, kombiniert aus klassischem Klavierspiel, elektronischer Verfremdung und Geräuschen entfaltet er in 12 Titeln eine Klanglandschaft, durchdrungen von harmonischer Schönheit und Ruhe, die die Hörenden in ihren Sog zieht, von dem m/f möchte, dass er nie aufhört.

Jazz Pianisten spielen offenbar bevorzugt im Trio mit Bass und Drums. So auch MATYAS BARTHA. 2 selbst komponierte Titel, 2 beigesteuert vom Bassmann und 4 aus dem Great American Songbook. Zwischen freier Entfaltung der individuellen Fähigkeiten und präzise abgestimmtem Gruppenspiel, zwischen raffinierten Tonfolgen und gekonntem Wohlklang der Jazz Trio Tradition. „From this Moment on“ lässt sich auch als Reminiszenz an die grossen Pianisten der 50er/60er hören.

Sunbörn – Sonnengetränkter Afrobeat

Die Kutimangoes heissen jetzt SUNBÖRN. Doch auch das erste Werk unter dem neuen Namen bleibt dem Grundthema, dem Afrobeat treu. Allerdings mit weit differenzierterem Ansatz. Der Beat ist nicht mehr allein der Motor, wird feiner ausgearbeitet und mit wohlorganisierten Bläsersätzen umspielt und entschärft. So werden auf dem nicht betitelten Album weitere westafrikanische Motive eingeführt und ein Sound kreiert, der in jeder Minute die positive Lebenseinstellung der Band und deren Freude am Sonnenschein feiert.

5 Blasinstrumente, Gitarre, Akkordeon, Drums ist die Ausstattung der BANDA BLONDEAU. 8 Menschen aus dem Mittelmeerraum lassen ihrer Fantasie freien Lauf und mischen Jazz, Folk, Ska und diverses Anderes in ihren eigenwilligen Gruppensound. Mit viel Schwung, gestandenem Handwerk und offensichtlicher Lust zu musizieren, verbreitet diese Combo eine gute halbe Stunde ungehörtes Vergnügen.

Hier ist der Schlagzeug spielende Bandleader gerade mal 21 Jahre alt. 2 Tenorsaxofone, Trompete, Piano und Bass komplettieren die Mannschaft. Mit kräftigen Bläserlinien, individuell und schwungvoll oder auch im harmonischen Satz, unterlegt mit stabiler Rhythmusgruppe und wohltemperiertem Klavier, bewegt sich das MATHIEU CLEMENT SEXTETT auf „Coming Home“ gekonnt in der Tradition des Modern Jazz und lässt dabei das durchweg jugendliche Alter nicht durchscheinen.

Sunna Gunnlaugs – Meine Schönheit der Woche

Und nochmal Jazz. Und nochmal Trio. Der isländischen Pianistin SUNNA GUNNLAUGS ist mit „Becoming“ aus meiner Sicht ein ganz grosser Wurf gelungen. Sie versucht nicht mit Fingerfertigkeit zu beeindrucken, sondern entwickelt die Melodien mit betonter Langsamkeit. Legt Akkordfolgen mit ruhiger Hand zugrunde, schmückt diese dann mit wohldosierten Einzeltönen aus. Die dabei entstehenden Lücken und Pausen füllen Drummer und Bassist mit ihrer individuellen Interpretation des Themas. Sie bleiben dabei jedoch genau so unaufdringlich wie die Pianistin. Mit sparsamen Mitteln werden hier grosse Emotionen erzeugt ohne auch nur entfernt in die Nähe von Kommerz oder Kitsch zu geraten.

Info am Rande: Es gibt bereits eine neue GRÖNEMEYER Platte, eine neue ELEMENT OF CRIME kommt an diesem Wochenende. Ich freue mich schon auf deren musikalisch untermalte Wortkunst!

Archivtexte Ohrenschmauch

Günter Günter

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